22.10.2021

Nachbericht zum Online-Vortrag "Neurologische Akut- und Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion"

Prof. Dr. Peter Berlit: „Neurologische Akut- und Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion“

Berlin, 22.10.2021. Der zweite Teil der Online-Vorträge der Oberberg Gruppe läuft unter dem Titel „Die COVID-19-Pandemie – Quo vadis?“. Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, beleuchtete in seinem Vortrag die neurologischen Akut- und Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion. In seinen Ausführungen ging Prof. Dr. Berlit dabei auch auf zahlreiche internationale Studien zum Thema ein. Der Vortrag und die anschließende Diskussion wurden online von über 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Fach- und Laienkreisen verfolgt.

 

Häufige neurologische Symptome
Prof. Dr. Peter Berlit informierte zu Beginn seines Vortrags allgemein zu COVID-19. Er erklärte, dass COVID-19 eine virale Infektion der Luftwege mit Multiorganbeteiligung ist und das Virus über Riechnerv und Vagusnerv sowie auf dem Blutweg ins Zentralnervensystem (ZNS) gelangen kann. Fünf Prozent aller COVID-19-Patientinnen und -Patienten müssen stationär behandelt werden. Diese sind im Durchschnitt 72 Jahre alt. Die individuelle Verlaufsprognose hängt u.a. von Alter und Geschlecht ab. So zeigen Männer häufig einen schweren Krankheitsverlauf und weisen insgesamt ein höheres Sterberisiko auf. Bezüglich neurologischer Symptome von COVID-19 ging Prof. Dr. Berlit speziell auf Riech- und Geschmacksstörungen ein. Während die Leitsymptome Husten und Fieber bei COVID-19 in der Regel wenig spezifisch sind, ist dies bei Riech- und/oder Geschmacksstörungen mit einer Spezifität von über 90 Prozent anders. Erleidet eine Person in Zeiten der Pandemie eine plötzliche Beeinträchtigung des Riech- und/oder Geschmacksvermögens, sollte sie sich auch ohne weitere Symptome wie Fieber oder Hinweise auf einen Infekt der oberen Luftwege in Quarantäne begeben und sich testen lassen, da ursächlich eine SARS-CoV-2-Infektion vorliegen kann.

 

Wie COVID-19 das Gehirn schädigt
Prof. Dr. Peter Berlit erläuterte, dass schwere neurologische Manifestationen bei ambulanten COVID-19-Patientinnen und -Patienten eher selten auftreten. Wenn Patientinnen und Patienten stationär behandelt werden und neurologische Symptome auftreten, was etwa auf jeden fünften Patienten dieser Gruppe zutrifft, verschlechtert dies die Prognose. Zu den häufigsten schweren Manifestationen zählen diffuse Schädigungen des Gehirns (Enzephalopathien), Entzündungen des Gehirns und Rückenmarks (Enzephalomyelitiden) sowie Schlaganfälle (zerebrovaskuläre Komplikationen). Dabei handelt es sich nur in Ausnahmefällen um direkt viral verursachte Manifestationen. Häufiger spielt die Virus-getriggerte Aktivierung des Immunsystems mit massiver Entzündungsreaktion, einer überschießenden Immunantwort (sog. „Zytokinsturm“) und Autoantikörperbildung, sowie einer Aktivierung des Gerinnungssystems (Koagulopathie) eine Rolle.

 

Neurologische Nebenwirkungen der COVID-19-Impfung
Während Kopf- und Muskelschmerzen in den ersten zwei Tagen nach einer Impfung gegen COVID-19 häufig sind, kann es in sehr seltenen Fällen auch zu ernsten neurologischen Komplikationen kommen. Ein ursächlicher Zusammenhang ist belegt zwischen der Anwendung von Vektorimpfstoffen und der Auslösung einer Vakzine-induzierten thrombotischen Thrombozytopenie (VITT) mit Sinus- und Hirnvenenthrombosen. Wenn mit zeitlicher Latenz nach Impfung schwere Kopfschmerzen auftreten und laborchemisch eine Thrombozytopenie vorliegt, muss gezielt nach den auslösenden PF4-Antikörpern gesucht und entsprechend behandelt werden.

 

Post-COVID-Syndrom
Abschließend ging Prof. Dr. Peter Berlit auf das Post-COVID-Syndrom ein. Hier grenzte der Experte zunächst die Begriffe Long- und Post-COVID voneinander ab. So wird vom Long-COVID-Syndrom gesprochen, wenn Symptome länger als vier Wochen nach der COVID-19-Infektion fortbestehen. Bei Symptomen, die mehr als drei Monate nach dem Infekt auftreten, handelt es sich um ein Post-COVID-Syndrom. Bei einem Drittel aller COVID-19-Patientinnen und -Patienten kommt es zu neuropsychiatrischen Manifestationen im Rahmen von Long- bzw. Post-COVID. Die neuropsychiatrischen Folgen hängen dabei auch mit der Schwere der Akuterkrankung zusammen. Langzeitsymptome können aber auch nach mildem Akutverlauf der Erkrankung bestehen. Häufig handelt es sich dabei um Fatigue, Schlaf- und Angststörungen sowie um neurokognitive Störungen wie z.B. Beeinträchtigungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit.

 

Der Vortrag von Prof. Dr. Peter Berlit ist in Kürze in der Mediathek der Oberberg Gruppe abrufbar:
https://www.oberbergkliniken.de/veranstaltungsreihe-pandemie-und-psyche/mediathek


Die Online-Vorträge mit hochkarätigen Expertinnen und Experten verschiedener Fachgebiete laufen bis zum 10. November 2021. Jeden zweiten Mittwoch von 18:30 bis 20:00 Uhr können Interessierte die Vorträge über Zoom kostenfrei verfolgen.


Vorschau
Der nächste Vortrag folgt am 27. Oktober 2021 um 18:30 Uhr mit Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Charité – Universitätsmedizin (Berlin). Die Expertin widmet sich dem Thema „Long-COVID und Chronic Fatigue Syndrome (CFS) – Abgrenzungen und Überschneidungen“. Die Moderation übernimmt Priv.-Doz. Dr. Andreas Wahl-Kordon (Oberberg Fachklinik Hornberg & Tagesklinik Lörrach).
 

Die Online-Vorträge sind von der Ärztekammer Berlin mit 2 CME-Punkten pro Teilnahme akkreditiert, die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Dr. Matthias J. Müller (Berlin). Anmeldungen sind unter folgendem Link möglich:

https://zoom.us/webinar/register/WN_WOmhADaSTKyKjDp9-APF-w

 

Über die Oberberg Gruppe: Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten Deutschlands. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden Therapeuten und Selbsthilfegruppen.


Buch-Neuerscheinung: „Psychische Erkrankungen – und die Auswirkungen einer Pandemie“
Das im Elsevier Verlag 2021 erschienene Buch „Psychische Erkrankungen – und die Auswirkungen einer Pandemie“, herausgegeben von Matthias J. Müller und Mathias Berger, bietet die Möglichkeit, sich mithilfe ausgewiesener Expertinnen und Experten in wissenschaftlich fundierter und zeitgleich gut verständlicher Weise einen Überblick über die Charakteristika der wichtigsten psychischen und psychosomatischen Erkrankungen von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern zu verschaffen: https://shop.elsevier.de/psychische-erkrankungen-und-die-auswirkungen-einer-pandemie-9783437217029.html

 

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