Der Begriff Autismusspektrumstörungen (ASD) wird heute als Sammelbegriff für verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen verwendet, die ihren Beginn zumeist in der frühen Kindheit haben. 

Einordnung von Autismusstörungen Autismusspektrumstörungen (ASD) als Sammelbegriff

Die allermeisten Betroffenen haben Schwierigkeiten (1) mit sozialen Kontakten und Kommunikation sowie (2) mit der Wahrnehmung und dem Ausdruck von Emotionen. Viele zeigen wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen. Unter den Begriff der ASD fallen verschiedene Hauptformen tiefgreifender Entwicklungststörungen (ICD-10: F84, F98):  

 

  • Frühkindlicher Autismus 
  • Asperger-Syndrom 
  • Atypischer Autismus 

 

Art, Ausprägung und Schweregrad von Autismussymptomen sind individuell jedoch sehr verschieden, so dass die Abgrenzung (wie immer noch in der ICD-10) nicht haltbar ist. Unter anderem sind Intelligenz und Sprachfähigkeiten sehr unterschiedlich ausgeprägt: Der größere Teil der (frühkindlichen) Autisten ist geistig eingeschränkt. Es gibt aber auch normal und sogar hochbegabte Betroffene. Teilweise gehen die verschiedenen Autismusformen auch fließend ineinander über. Sehr häufig entwickeln sich bei Menschen mit Autismus im Verlauf weitere psychische Störungen, v.a. Depressionen und Angststörungen. Des Weiteren besteht eine wahrscheinlich genetische Nähe zu Psychosen und Zwangsstörungen.

Therapie und Prognose

Kritisch wissenschaftlich betrachtet sind ASD Entwicklungs- und Reifungsstörungen des Gehirns und erfordern oder ermöglichen in diesem Sinne keine "heilende" Therapie. Die Symptome und Konsequenzen lassen sich aber häufig mit verschiedenen Methoden verbessern, z.B. mit sozialem Kompetenztraining, Verhaltenstherapie oder Sprechtraining. 

 

Nahezu alle Menschen mit Autismus haben im sozialen Leben zeitlebens Schwierigkeiten oder Anpassungsprobleme. Bei leichter Ausprägung (besonders Asperger-Syndrom) sind die Beeinträchtigungen der Autonomie gering. Menschen mit stärker ausgeprägtem Autismus sind dagegen oft lebenslang auf Hilfe angewiesen. Zudem hängt die Prognose von eventuellen Begleiterkrankungen ab (z.B. Depression, Angststörungen). 

Symptome und Beschwerden Autismusspektrumstörungen (ASD)

Die meisten autistischen Menschen zeigen folgende Hauptmerkmale mit allerdings sehr großen individuellen Unterschieden:
 

  • Beeinträchtigung der sozialen und emotionalen Fähigkeiten 
  • Schwierigkeiten mit Kommunikation und Sprache 
  • Wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen 

Wenn Sie den Verdacht haben, dass bei Ihnen eine depressive Symptomatik vorliegt, können Sie sich mit einem Test der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ein klareres Bild verschaffen. 

Menschen mit Autismus haben oft Schwierigkeiten, Gefühle und Konzepte anderer Menschen nachzuvollziehen oder sich in andere hineinzuversetzen („Theory of mind“). Auch ihre eigenen Gefühle können sie oft nur schlecht oder gar nicht ausdrücken. Auch sind Menschen mit Autismus spontane Gefühlsregungen wie Freude oder Interesse an anderen und an verschiedenen Tätigkeiten eher selten oder auch unangemessen (grundloses Lachen). 

Oft finden sich bei der Sprache von Menschen mit frühkindlichem Autismus Auffälligkeiten. Bei schwerer Ausprägung ist die Sprachentwicklung gestört, bei leichteren Formen ist die Sprache eher monoton und Sätze werden wiederholt. Bei Patienten mit Asperger-Syndrom ist die Sprache oft sehr hoch entwickelt. Sie wirkt aber manchmal seltsam gestelzt. 

Ein Hauptsymptom bei Autismus ist das oft stereotype Verhalten. So führen viele Betroffene beharrlich bestimmte Handlungen, Rituale und Gewohnheiten aus. Werden sie dabei unterbrochen oder daran gehindert, reagieren Sie teilweise mit Wut oder Angst, Schreien und Panikattacken. Schwierigkeiten haben Autisten oft, sich von ihren Lieblingsdingen zu trennen. Das Interesse konzentriert sich bei vielen Autisten auf bestimmte spezielle Details, die sie voll und ganz in Beschlag nehmen. 

Manche Autisten haben zusätzlich spezifische Inselbegabungen („Savant-Syndrom“), z.B. Rechnen, fotografisches Gedächtnis, Sprachelernen. Dabei treten andere Interessen häufig in den Hintergrund. 

Prävalenz Häufigkeit von ASD

Zur Häufigkeit der ASD gibt es keine aktuellen Zahlen aus Deutschland. Internationale Studienergebnisse sind widersprüchlich: In Studien aus den 1980er und 1990er Jahren wurde die Prävalenz auf etwa 1-3 pro 1.000 (0.1-0.3%) Personen geschätzt (ASD). Neuere Studien zeigen auch Häufigkeiten von 0.6-1.2%. Gleichwohl wird nicht angenommen, dass die Häufigkeit von Autismus in den letzten Jahren gestiegen ist. Vielmehr scheinen sich die Diagnosekriterien in Richtung einer niedrigeren Schwelle („Spektrum“) verschoben zu haben. Die Grenze zwischen Autismus und Nicht-Autismus verläuft eher kontinuierlich. 

Ursachen und Risikofaktoren Fakten und Mythen zu ASD

Nach aktuellem wissenschaftlichem Stand sind einige Faktoren bekannt, die zur Entwicklung einer ASD beitragen können oder das Risiko erhöhen. Gleichzeitig konnten anhand der Analyse großer Datenmengen für einige Faktoren weitgehend ausgeschlossen werden, dass ein Zusammenhang mit ASD besteht. 

Genetische und pränatale Ursachen

Zwillings- und Geschwisterstudien stützen die Hypothese genetischer Einflusse (u.a. Veränderungen am X-Chromosom, „fragile X-Syndrome“), bei Geschwistern von autistischen Kindern ist die Wahrscheinlichkeit, eine autistische Störung zu entwickeln, stark erhöht. Bei eineiigen Zwillingen waren in 90% beide Kinder autistisch, bei zweieiigen Zwillingen hingegen nur in etwa 23%.  

Der Einfluss eines höheren Alters des Vaters (und auch der Mutter) auf erhöhte Raten von ASD wurde in einer aktuellen großen Datenanalyse (Meta-Analyse) bestätigt; dabei werden epigenetische Veränderungen oder vermehrt Neumutationen diskutiert. 
 

Des Weiteren liegen Untersuchungsergebnisse vor, dass pränatale Infektionen der Mütter und auch möglicherweise medikamentöse Behandlungen zu den Risikofaktoren für ASD der Kinder zu rechnen sind: 
 

  • Bestimmte Infektionskrankheiten der Mutter in der Schwangerschaft, wie die Rötelninfektion, sind belegte Risikofaktoren für Autismus-Spektrum-Störungen (erhöhtes Risiko nach schweren Virusinfektionen im 1. Trimenon und nach schweren bakteriellen Infektionen im 2. Trimenon).  
  • Mehrere große Studien konnten zeigen, dass eine v.a. deutliche Frühgeburtlichkeit das Risiko für ASD erhöht.  
  • Allgemeine Schwangerschafts-assoziierte Risikofaktoren sind mütterlicher Diabetes sowie postpartale Hypoglykämie (Unterzuckerung) 
  • Einzelne Studien zeigten eine erhöhte Rate an ASD bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft SSRI (Antidepressiva) oder bestimmte Antikonvulsiva (Valproat) eingenommen hatten.  

Keine Risikoerhöhung für ASD konnte hingegen seither für einen Alkoholkonsum sowie psychosoziale Belastungen der Mutter und nach mehreren Studien für Impfungen im Kleinkindalter gefunden werden.

Gehirnentwicklung und Neurobiologie

Bisher wurden noch keine Autismus-typischen Veränderungen nachgewiesen. Allerdings wurden in Hirnabschnitten Auffälligkeiten gefunden, die für die sozial-kommunikative Fähigkeiten verantwortlich sind (u.a. geringere synaptische Vernetzung in Frontalhirnarealen). Menschen mit ASD zeigen nicht selten eine Erhöhung der Serotonin- und Dopaminaktivität im ZNS.

Diagnostik Identifizierung von ASD

Die Diagnose einer ASD ist frühestens (und dann immer noch unsicher) ab dem 2. Lebensjahr möglich. Eine Abklärung sollte im Bedarfsfall bei spezialisierten Psychologen oder Psychiatern erfolgen.   

Zunächst ist jedoch eine ärztliche Untersuchung angeraten, da manche ASD-Symptome auch durch körperliche Erkrankungen verursacht werden können. Dabei unterstützen neurologische, laborchemische und bildgebende Verfahren. Zudem müssen bei Kindern Hörprüfungen und Sehtests erfolgen, des Weiteren die Messung der Hirnströme (EEG).  Lässt sich keine körperliche Ursache finden, wird ein spezialisierter Kinder- und Jugendpsychiater die Diagnose stellen oder ausschließen.  Gleichwohl kann die sehr unterschiedliche Ausprägung der Symptome bei der Diagnostik Schwierigkeiten bereiten. Charakteristische Symptome sind u.U. so gering ausgeprägt, dass sie bei guter familiärer Unterstützung und Integration der Autismus oft erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. 

 

Mit spezifischen Autismus-Tests (Fragebogen) wird die Symptomatik beurteilt. Im Mittelpunkt stehen die Symptomkomplexe, die für Autismus-Spektrum-Störungen charakteristisch sind. Bei Kleinkindern beantworten Eltern die Fragen und schätzen die Symptome ein.
 

  • Häufig setzen spezialisierte Fachärzte die Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (ADOS) und das Diagnostische Interview für Autismus (ADI-R) ein. Diese Methoden können bei Betroffenen ab dem zweiten Lebensjahr angewendet werden (diese Diagnostik ist in der Oberberg Fachklinik Wasserschlösschen verfügbar).  
  • Bei Verdacht auf Autismus wird zudem auch der Intelligenzquotient ermittelt (IQ) und es werden Tests zur Sprachentwicklung durchgeführt. 

Inbesondere leichtere Autismusformen können jahrelang unbemerkt bleiben und sich erst im Erwachsenenalter zeigen. Nicht selten berichten Betroffene, sich schon immer „anders“ gefühlt zu haben. Für das Erwachsenenalter sind ebenfalls Selbstests für ASD verfügbar. Der sogenannte Autismus-Spektrum-Quotient (AQ) wird als Hinweise für den Schweregrad einer Autismus-Spektrum-Störung gewertet. Autismus-Selbsttests ersetzen jedoch nicht den Besuch beim Arzt. 

Interessante Fakten zu ASD

  • Schwere Autismusspektrumstörungen sind selten (<1%o) 
  • Leichtere Formen (Asperger-Syndrom) könnten mit einer Häufigkeit von bis zu 1% in der Bevölkerung vorliegen, nicht jeder Betroffene ist behandlungsbedürftig.  
  • Leichtere ASD-Ausprägungen werden nicht selten erst im Erwachsenenalter deutlich und verursachen dann Leiden 
  • Eine differenzierte und spezialisierte Diagnostik ist notwendig, um dann auch eine spezifische Therapie einleiten zu können.

Behandlungsansätze und Therapie Unterstützung und Therapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Ein ganzheitliches Konzept zur Behandlung einer ASD beinhaltet, die vorhandenen Fähigkeiten des Kindes zu unterstützen und neue zu entwickeln. Dabei wird das Umfeld des Kindes in die Therapie einbezogen. So kann das Kind in der Gruppe, mit der Familie und anderen Kindern seine Fähigkeiten trainieren. 

 

Spieltherapie und Fokussierung 

Menschen mit frühkindlichem Autismus lernen in Spielen und durch Belohnung, ihre Wahrnehmung auf die wichtigen Informationen zu lenken. Dadurch verstehen sie ihre Umwelt besser, und die Angst vor Veränderungen nimmt ab. 

 

Verhaltenstherapie 

Verhaltenstherapeutische Techniken können soziale Fertigkeiten verbessern und stereotype Verhaltensweisen abbauen. Hilfreich sind beispielsweise Rollenspiele und der Kontakt mit Kindern ohne Autismus. 

 

Sprachtraining (Logopädie – Kinder) 

Sprachtraining kann den Betroffenen die soziale Bedeutung sprachlicher Elemente erklären und das Sprachverständnis sowie das aktive Sprechen fördern. Es sollte möglichst früh beginnen, da die Erfolgsaussichten mit dem Alter sinken. 

 

Ziele der ASD-Therapie (bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen)  

  • Soziale Kompetenz 
  • Selbstständigkeit im Alltag 
  • Kontaktbereitschaft und –fähigkeit 
  • kommunikative Kompetenz 
  • Empathieförderung 
  • Sprechen und Sprachverständnis, Verständnis von Gesten 

Darüber hinaus gibt es spezifische Behandlungsansätze (z.B. Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children [TEACCH]). 

 

Hilfe für die Familie 

Spezifische Programme sollen Eltern autistischer Kinder helfen, im Alltag Stress abzubauen und den richtigen Umgang mit ihren autistischen Kindern zu erlernen. Außerdem vermittelt man ihnen Methoden, um einen besseren Kontakt zu ihrem Kind aufzubauen. 

Betroffene Erwachsene mit ASD können von Gesprächsgruppen, Verhaltenstherapien und einem Training sozialer und emotionaler Kompetenz profitieren.  

 

Selbsthilfegruppen 

Autismus Deutschland e.V. - Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus 

 

Medikamente 

Insbesondere komorbide Depressionen oder Angststörungen oder auch Epilepsien sind medikamentösen Behandlungen zugänglich (Antidepressiva, Antikonvulsiva). Auch wenn keine Zulassung für die Behandlung von ASD besteht, können manchmal Medikamente (Antidepressiva vom SSRI-Typ) bei der Behandlung ausgeprägter stereotyper Bewegungen helfen. Medikamente sollen nur begleitend zu einer Psychotherapie eingesetzt werden.  

Zu beachten ist, dass Menschen mit ASD häufig besonders sensitiv auf Medikamente reagieren (Nebenwirkungen).  

 

Alternative Behandlungsansätze 

Viele Betroffene und ihre Angehörigen versuchen auch alternative therapeutische Ansätze (einschließlich Diät- und Ernährungsempfehlungen), deren Wirksamkeit oft nicht belegt ist. Teilweise sind die Methoden sogar sehr umstritten und potentiell schädlich, zudem sind die Kosten oft hoch.  

 

Prognose und Perspektive 

Die Merkmale autistischer Störungen (ASD) sind sehr individuell und ändern sich zudem mit zunehmendem Alter. Im Erwachsenenalter und unter weitgehend gleichbleibenden Voraussetzungen bleiben sie jedoch meist bestehen. Autismusbedingte Beeinträchtigungen können zwar häufig gebessert oder kompensiert aber nicht geheilt werden. Die meisten Menschen mit Autismus benötigen aufgrund der umfassenden Beeinträchtigungen Hilfe und Unterstützung unterschiedlicher Ausprägung. Häufig sind komorbide psychische Störungen für die Prognose und die Lebesnqualität von Menschen mit ASD mitentscheidend. 

Unsere Kliniken Kliniken mit Fokus auf Autismus-Spektrum-Störungen

Für Kinder und Jugendliche mit ASD oder einem Verdacht ist unsere Oberberg Fachklinik Wasserschlösschen in Mönchengladbach besonders geeignet. Dort kann auch eine letiliniengerechte Diagnostik erfolgen. 

 

Erwachsene mit ASD können in unseren Oberberg Fachkliniken behandelt werden, insbesondere in der Oberberg Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad, der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura sowie der Oberberg Fachklinik Schwarzwald. 

Ansprechpartner Hilfe bei ASD - Sie können sich jederzeit an uns wenden – vertrauensvoll und diskret

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