28.04.2021

Online-Vortragsreihe „Die Pandemie und ihre Auswirkungen auf unsere Psyche“ der Oberberg Gruppe: „Was schützt vor den psychischen Auswirkungen der Pandemie? Möglichkeiten von Verhältnis- und Verhaltensprävention“

Am Mittwoch, 21. April 2021, wurde die Online-Vortragsreihe „Die Pandemie und ihre Auswirkungen auf unsere Psyche" der Oberberg Gruppe mit dem vierten Teil fortgesetzt. Dr. Tobias Freyer (Wiesbaden Schlangenbad/Frankfurt am Main) erläuterte in seinem Vortrag, wie stark die Pandemie die Psyche belastet, wer besonders belastet ist und wie Belastung und Krankheit voneinander abzugrenzen sind. Zudem wurden die Möglichkeiten von Verhältnis- und Verhaltensprävention sowie Weisheitskompetenzen erörtert. Die anschließende Fragerunde moderierte Prof. Dr. Mathias Berger (Freiburg).

Am Mittwoch, 21. April 2021, wurde die Online-Vortragsreihe „Die Pandemie und ihre Auswirkungen auf unsere Psyche" der Oberberg Gruppe mit dem vierten Teil fortgesetzt. Dr. Tobias Freyer (Wiesbaden Schlangenbad/Frankfurt am Main) erläuterte in seinem Vortrag, wie stark die Pandemie die Psyche belastet, wer besonders belastet ist und wie Belastung und Krankheit voneinander abzugrenzen sind. Zudem wurden die Möglichkeiten von Verhältnis- und Verhaltensprävention sowie Weisheitskompetenzen erörtert. Die anschließende Fragerunde moderierte Prof. Dr. Mathias Berger (Freiburg). 

 

Die Online-Vortragsreihe findet bis zum 16. Juni 2021 alle 14 Tage jeweils mittwochs von 18:30 bis 20:00 Uhr live über Zoom statt. Die Vorträge der Veranstaltungsreihe werden im Anschluss von der Oberberg Gruppe auf YouTube (https://www.youtube.com/watch?v=ZPjJxJK0YfU&t=11s) und in die unternehmenseigene Mediathek (https://www.oberbergkliniken.de/veranstaltungsreihe-pandemie-und-psyche/mediathek) eingestellt. Die Terminübersicht und weitere Informationen finden sich auf der Webseite der Oberberg Gruppe. 

 

Dr. Tobias Freyer ist Ärztlicher Direktor der Oberberg Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad und der Oberberg Tagesklinik Frankfurt am Main. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist ein ausgewiesener Spezialist in der Behandlung affektiver Störungen, von Angststörungen und Zwangserkrankungen. Zu Beginn seines Vortrags stellte Dr. Freyer den fast 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine in Lancet Psychiatry publizierte britische Studie vor.

 

In dieser retrospektiven Analyse wurden die Gesundheitsdaten von rund 236.000 nachweislich an COVID-19 Erkrankten ausgewertet, deren Verläufe unterschiedlich waren. „Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie liegt eine Studie mit größerer Datenlage vor, die darauf hindeutet, dass die Erkrankung an COVID-19 die Auftretensrate von psychischen Erkrankungen steigert“, fasste Dr. Freyer die Ergebnisse der Studie nach detaillierten Erläuterungen zusammen.

 

So litt etwa sechs Monate nach der COVID-19 Erkrankung fast ein Viertel (24 Prozent) an manifesten psychischen Erkrankungen. Zu erwarten gewesen wären normalerweise 15 bis 20 Prozent. „Keine exorbitante, aber doch eine signifikante Steigerung“, so die Einordnung des Experten.  

 

Möglichkeiten der Prävention 
Bei dem Thema Prävention zog Dr. Freyer eine Parallele zu den Erfahrungen mit an Burnout Erkrankten. Verhältnispräventive Maßnahmen haben hier sehr gute Evidenzen für präventive Wirksamkeit. Mit Modifikationen, wie zum Beispiel des Arbeitsplatzes, kann die Rate der von Burnout Betroffenen gesenkt werden. Mit Lebensstilmodifikationen, also Verhaltensprävention, sind die Wirksamkeitsnachweise nicht so stark.

 

Er fordert in Anlehnung an die Erfahrung mit an Burnout Erkrankten, dass auch in der Pandemiesituation der Verhältnisprävention ein hoher Stellenwert zukommen sollte. Das ist aus Sicht der psychologischen Psychotherapie bislang das Fatale an der Situation: Am Anfang fühlten sich die meisten Menschen gut unterstützt durch die Maßnahmen, die die Politik ergriffen hat. Dieses Gefühl hat im Verlauf der Pandemie massiv abgenommen. In seinem Vortrag griff Dr. Freyer dazu eine Formulierung des Kollegen und Moderators des Abends, Prof. Dr. Berger, auf, der von einer „Kette verhältnispräventiver Fehlleistungen“ gesprochen hatte.

 

Ein Beispiel: Masken. Zunächst hatte die Politik Masken abgelehnt, weil sie angeblich keinen Nutzen hätten. Später folgte die Maskenpflicht im öffentlichen Raum, die bis heute gilt. „So gehen Orientierung und Kontrolle verloren“, erklärte Dr. Freyer. „Das Grundbedürfnis nach Kontrolle sollte stärker beachtet, wissenschaftliche Diskurse besser erklärt und vorläufige Erkenntnisse auch als vorläufig benannt werden“, forderte Dr. Freyer.  

 

Pandemiemüdigkeit nimmt zu 
Im letzten Teil seines Vortrags ging Dr. Freyer auf die Themen Pandemiemüdigkeit und Verbitterung ein. Die COSMO Erhebung zeigt, dass die Pandemiemüdigkeit seit dem zweiten Lockdown deutlich in der gesamten Bevölkerung zugenommen hat und auch nach Lockerungen im März nicht gesunken, sondern signifikant gestiegen ist.

 

Eine höhere Pandemiemüdigkeit geht damit einher, dass weniger Risiko wahrgenommen wird. Zudem lässt die Vorsicht nach, es wird weniger auf Schutz geachtet. Auch die Informationssuche nach aktuell geltenden Regelungen sowie das Vertrauen in die Politik und die von ihr beschlossenen Maßnahmen nehmen ab. Die Reputation der Wissenschaft hat jedoch nicht gelitten.  

 

Am Ende des Vortrags ging Dr. Freyer noch auf den von Prof. Dr. Michael Linden (Berlin) definierten Begriff des „Verbitterungssyndroms“ ein. Prof. Linden und seine Arbeitsgruppe führten Ende 2020 eine Online-Befragung durch, der zufolge 38 Prozent eine überdurchschnittliche Verbitterung schilderten, lediglich zwei bis vier Prozent wurden dagegen erwartet. Personen mit starker Verbitterung sind häufig von psychischen Vorerkrankungen betroffen.

 

Ein hilfreiches Instrument gegen Verbitterung scheinen Weisheitskompetenzen zu sein. Dazu zählen unter anderem Perspektivwechsel, Empathie und Selbstrelativierung. „Werden Weisheitskompetenzen trainiert, können sie wahrscheinlich zu einer größeren psychischen Widerstandsfähigkeit in solchen Krisen führen. Ein Denkansatz der eventuell in den nächsten Wochen und Monaten zu berücksichtigen ist“, sagte Dr. Freyer. 

 

Die Vortragsreihe der Oberberg Gruppe wird am 5. Mai 2021 um 18:30 Uhr von Dr. Bastian Willenborg, Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Berlin Brandenburg und der Oberberg Tagesklinik Kurfürstendamm, fortgesetzt. Er widmet sich dem Thema „Angst – Die primäre emotionale Reaktion auf die pandemische Bedrohung“. Die darauffolgende Fragerunde wird von Prof. Dr. Christiane Knaevelsrud (Berlin) geleitet. Die Veranstaltungen der Vortragsreihe sind von der Ärztekammer Berlin mit 2 CME-Punkten pro Teilnahme akkreditiert, die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Dr. Matthias J. Müller (Berlin).