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Wie sich das Long-Lockdown-Syndrom auf die Psyche auswirkt

SARS-CoV-2 betrifft jeden Menschen: Die Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, steht ständig im Raum. Dadurch entsteht der Wunsch, sich von anderen Menschen zu isolieren, um der Gefahr einer Ansteckung aus dem Weg zu gehen. Der Kontakt zu anderen Menschen war uns während der Pandemie phasenweise sogar gesetzlich untersagt. Egal ob freiwillig oder vorgeschrieben – Isolation bedeutet einen Kontaktabbruch zu Familie und Freunden.

Gerade in den unsicheren Zeiten einer Pandemie mit all ihren unvorhersehbaren Gefahren wünscht man sich Nähe zu den Menschen, die einem wichtig sind. Ängste und Sorgen können im Lockdown jedoch nur noch per Telefon geteilt werden und jede tröstende Umarmung entfällt. Hobbies und Freizeitbeschäftigungen fallen weg und die Arbeit wurde für viele ins Homeoffice verlegt. Die Situation wirkt sich auf die Psyche des Menschen aus, was die physische Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinflusst und zu einem Teufelskreis führen kann, aus dem man alleine nicht mehr herausfindet. Dieses Phänomen wird auch „Post-Lockdown-Syndrom“ genannt. Besonders angespannt war die Situation für viele Familien, die zusammen in einem Haushalt leben. Der Lockdown brachte dort große Herausforderungen. Dazu gehörten Homeoffice und Home-Schooling, wenig Ausweichmöglichkeiten, Existenzängste aufgrund von Jobverlust oder Kurzarbeit und Angst um die Entwicklung der Kinder. Eine Überforderung mit der Situation für Kinder und Erwachsene ist eine normale Reaktion auf diesen extremen Ausnahmezustand.

 

Was wird unter dem Post-Lockdown-Syndrom verstanden?

Das sogenannte Post-Lockdown-Syndrom beschreibt alle pandemiebedingten Auswirkungen auf die Psyche des Menschen, die durch die Isolation und die Veränderungen des Alltags durch einen oder mehrere Lockdowns entstehen. Ein Lockdown geht mit vielen Einschränkungen einher, die sich negativ auf unsere Psyche auswirken können:

  • Isolation in Quarantäne
  • Häuslicher Unterricht der Kinder und der damit verbundene Verzicht auf den Kontakt zu Gleichaltrigen
  • Kontakteinschränkungen zu Mitarbeitern durch Homeoffice
  • Finanzielle Einbußen durch Kurzarbeit
  • Verlust der Arbeit
  • Existenzängste und Beziehungsprobleme
  • Isolation von Familienangehörigen

Dass sich Isolation und Lockdown negativ auf unsere Stimmung und unsere psychische Gesundheit auswirken, wurde auch wissenschaftlich untersucht. Dabei werden Konsequenzen des Lockdowns gefunden, die „Post-Lockdown-Syndrom“ oder „Long Lockdown“ genannt werden können.

  • Eine Studie der Universität Palermo hat sich zum Ziel gesetzt, eine evidenzbasierte Bewertung möglicher Auswirkungen der derzeitigen COVID-19-Maßnahmen auf die psychische Gesundheit vorzunehmen. Dazu wurden eine Vielzahl internationaler Studien einbezogen, die die psychische Gesundheit (z. B. allgemeine psychische Belastung, depressive und PTBS-Symptome) während und nach Phasen der Isolation und des Lockdowns zur Bewältigung von COVID-19-Ausbrüchen untersuchten. Es wurden einundzwanzig unabhängige Studien mit insgesamt 82.312 Probanden einbezogen. Mindestens 20 % der Personen, die restriktiven Maßnahmen zur Bewältigung von Pandemie-Infektionen ausgesetzt waren, berichteten über ein so starkes Ausmaß an psychischer Belastung, dass es zu der Diagnose einer psychischen Krankheit ausreicht. Insbesondere Trauma-Folge-Störungen (PTBS ;21 %) und depressive Symptome (22,69 %) wurden dabei festgestellt. Heute besteht für fast jeden fünften Menschen aufgrund von Lockdowns und Isolation das Risiko einer psychischen Belastung, die einen Krankheitswert annimmt.
  • Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine vielzitierte Studie am Kings College London in der herausgearbeitet wurde, welche psychische Konsequenzen Menschen davongetragen haben, während vorheriger Epidemien oder Pandemien in Quarantäne gewesen zu sein. Es zeigt sich, dass Quarantänemaßnahmen auch mittelfristig negative Auswirkungen auf die Psyche haben. Die Wahrscheinlichkeit steigt, Depressionen oder Angststörungen zu entwickeln. Das liegt vor allem an einem Anstieg von stressbezogenen Symptomen.

Wodurch entsteht das Post-Lockdown-Syndrom?

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Isolation und eingeschränkte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben reichen deshalb aus, um zu starken psychischen Problemen zu führen. Es braucht keine eigene Infektion, um von den Corona-Auswirkungen betroffen zu sein. Auch als Person, die nicht direkt von einer Covid-19-Infektion betroffen ist, wurde das Leben durch die Pandemie verändert. Das Post-Lockdown-Syndrom bildet sich als Folge der verschiedenen psychischen Belastungen im Lockdown während der Pandemie. Die Schwere und Dauer der psychischen Einschränkungen hängen von Faktoren wie der Angst vor Infektionen, der Angst, andere anzustecken, Langeweile, mangelnder Versorgung, Ungewissheit und Isolation ab.
 

Post-Lockdown-Syndrom - Die Grenze der Leistungsfähigkeit wird erreicht

Die Leistungsfähigkeit ist während der Pandemie bei vielen Menschen gesunken. Dafür kann es viele Gründe geben. So mussten viele Menschen mit der Kinderbetreuung bei gleichzeitiger Arbeit im Homeoffice zurechtkommen. Oder alternativ ständige Einsamkeit ertragen, weil sie weder Kontakt zu Freunden und Familie noch zu Kolleginnen und Kollegen haben können. Einsamkeit kann zu einer Verschlechterung der Stimmung führen und somit zu einem Konzentrationsabfall. Bei geringerer Leistungsfähigkeit kann es zu Angst kommen, den eigenen Ansprüchen und den Ansprüchen des Arbeitgebers oder der Familie nicht mehr gerecht zu werden. So kann schnell eine Spirale der Angst, der geringeren Leistungsfähigkeit und der Niedergeschlagenheit entstehen, die sich immer weiter verschärft. Ein solcher Zustand kann als „Post-Lockdown-Syndrom“ bezeichnet werden.

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Wer ist vom Post-Lockdown-Syndrom besonders betroffen?

  • Erwachsene, die ihre Arbeit verlieren
  • Kurzzeitarbeiter mit Einkommenseinbußen
  • Eltern
  • Kinder
  • Menschen mit Angststörungen
  • Senioren
  • Jugendliche nach dem Schulabschluss


Kinder sind vom Post-Lockdown-Syndrom besonders betroffen. Die zwischenzeitlichen Kontaktbeschränkungen haben eine große Belastung für viele junge Menschen dargestellt. Der Kontakt mit Gleichaltrigen ist für Kinder ein immens wichtiger Bestandteil einer gesunden Entwicklung. Dass dieser zeitweise fast vollständig wegfiel, hat bei vielen Kindern auch zu der Entwicklung von psychischen Symptomen geführt. Dazu kommt, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter nur ein begrenztes Verständnis für die Pandemie-Lage entwickeln können. Sie dürfen nicht selbst darüber entscheiden, was sie machen, sondern müssen den Erwachsenen folgen. Dass ihre Eltern oder Lehrer oft aber auch nicht genau sagen können, wie lange die Situation noch anhält oder wann die Kinder ihre Freunde wiedersehen dürfen, stellt für die Kinder eine große Belastung dar. Das Post-Lockdown-Syndrom kann sich deshalb bei Kindern als Folge der verschiedenen psychischen Belastungen während der Pandemie entwickeln.

 

Das Lock-Down-Syndrom und die seelische Gesundheit

Das seelische Befinden ist immer von den Gedanken abhängig, die wir uns und unserer Umwelt entgegenbringen. Deshalb lässt sich die Psyche positiv beeinflussen. Jeder kann in dieser Situation etwas für sich tun, indem er Abstand von negativen Nachrichten nimmt und sich bewusst Zeit für angenehme Aktivitäten nimmt. So kann die Belastung durch die Ungewissheit und die Probleme der Pandemie ein bisschen abgemildert werden.
Die Pandemie ist eine große Belastung für alle, unabhängig davon, ob sie von einer Infektion betroffen sind oder nicht.  Das ist ein besonderer Grund, um sich mit seiner psychischen Gesundheit auseinanderzusetzen. Positive Zukunftsbilder, Pläne und Ideen für neue Vorhaben können helfen, den Mut nicht zu verlieren. Das Post-Lockdown-Syndrom bietet bei all seinen negativen Auswirkungen auch die Möglichkeit, als Mensch über sich hinauszuwachsen, denn es sind häufig Krisenzeiten, die eine positive Veränderung der Menschen bewirken.

FAQ

Das Post-Lockdown-Syndrom kann sich in gravierenden psychischen Belastungen zeigen. Im schlimmsten Fall können sich Depressionen, Angststörungen oder posttraumatische Symptome entwickeln oder verstärken. In diesem Fall ist unbedingt professionelle Hilfe angeraten. Lassen Sie sich durch Ihren Arzt beraten und suchen Sie psychotherapeutische Hilfe auf.

Wie lässt sich die Psyche in dieser Zeit stärken?

Es ist wichtig, trotz Kontakteinschränkungen auch weiterhin im Kontakt zu anderen Menschen zu bleiben. Versuchen Sie, mehr zu telefonieren, Videocalls oder andere sichere Formen der Kommunikation zu wählen. Versuchen Sie sich im stressigen Alltag, auch wenn es schwerfällt, Zeit für Entspannung zu finden und für Tätigkeiten, die Sie gerne machen. Das Post-Lockdown-Syndrom ist die Folge von sich aufschaukelnden psychischen Belastungen. Versuchen Sie, durch gezielte Pausen und angenehme Aktivitäten einen Teufelskreis der Belastung zu durchbrechen.

Das Post-Lockdown-Syndrom ist die Folge von Isolation und Lockdown. Es hat nichts direkt mit den körperlichen Auswirkungen einer Covid-19-Infektion zu tun. Long Covid oder das Post-Covid-Syndrom bezeichnen hingegen die Folgen einer Infektion mit Sars-CoV-2. Vier oder zwölf Wochen nach einer Infektion können immer noch Konsequenzen einer Infektion auftauchen. Dies können psychische Symptome wie Erschöpfung oder körperliche wie eine eingeschränkte Lungenfunktion sein. In einem solchen Fall spricht man von Long Covid oder dem Post-Covid-Syndrom.

Das Post-Lockdown-Syndrom ist noch kein offizielles Krankheitsbild. Es ist ein Begriff, der benutzt wird, um die psychischen Belastungen des Lockdowns, die auch Wochen nach der Isolation bestehen bleiben können, zu beschreiben.

Di Stefano, V., Battaglia, G., Giustino, V., Gagliardo, A., D’Aleo, M., Giannini, O., ... & Brighina, F. (2021). Significant reduction of physical activity in patients with neuromuscular disease during COVID-19 pandemic: the long-term consequences of quarantine. Journal of Neurology, 268(1), 20-26.

Brooks, S. K., Webster, R. K., Smith, L. E., Woodland, L., Wessely, S., Greenberg, N., & Rubin, G. J. (2020). The psychological impact of quarantine and how to reduce it: rapid review of the evidence. The Lancet, 395(10227), 912-920.