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Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Psyche

Wenn die Angst um unsere Erde krank macht

Der Klimawandel wird von vielen Menschen als das größte Problem unserer Zeit angesehen. Während die Problematik der Erderwärmung und ihre Auslöser schon seit Jahrzehnten bekannt sind, rückte das Thema vor allem in den letzten Jahren in den Mittelpunkt der medialen und politischen Aufmerksamkeit. Dem Thema Klimaschutz kann sich niemand mehr entziehen. Im Alltag tritt die Thematik des Klimawandels beim Einkaufen auf, bei Gesprächen mit Mitmenschen, im Job oder im Fernsehen – es ist allgegenwärtig. In der Nachrichtenerstattung tauchen wöchentlich Schreckensbilder von Umweltkatastrophen weltweit auf, die auf die Erderwärmung zurückzuführen sind. Auch in Deutschland sind Menschen direkt von den Konsequenzen der Erderwärmung betroffen – wie beispielsweise durch die Flutkatastrophen oder durch eine jährliche Zunahme an Hitzetagen.

Folgewirkungen des Klimawandels auf die Psyche

Von all diesen Veränderungen und Entwicklungen bleibt auch die menschliche Psyche nicht unbetroffen. Der Klimawandel kann sich durch unterschiedliche Faktoren negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Dabei kann es sich um psychische Folgewirkungen erlebter Katastrophen handeln oder um Angst vor zukünftigen Verlusten. Auch wenn Menschen ihr eigenes Leben oder das ihrer Angehörigen nicht durch den Klimawandel bedroht sehen, können starke Gefühle von Verantwortung, Schuld, empfundener Hilfslosigkeit oder Hoffnungslosigkeit zur psychischen Belastung werden. Der Klimawandel kann sich negativ auf die seelische Gesundheit des Einzelnen auswirken.

Solastalgie – Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Veränderungen von Klima und Umwelt

Wenn die eigene Heimat direkt von Umweltzerstörung bedroht ist, kann das gravierende Auswirkungen auf die Psyche haben. Um dieses Phänomen zu fassen, wurde der Begriff „Solastalgie“ geprägt. Solastalgie ist ein relativ neues Konzept, das die Auswirkungen von Klimawandel und Umweltveränderungen auf die geistige und emotionale Gesundheit des Menschen verständlich machen soll. Dabei handelt es sich vor allem um emotionale Belastungen, die aufgrund eines drohenden Verlusts oder einer Schädigung des Heimatorts auftreten. Angesichts der Geschwindigkeit und des Ausmaßes des Klimawandels sowie der Abnahme der biologischen Vielfalt, der Umweltverschmutzung, der Abholzung von Wäldern und anderer Umweltprobleme werden immer mehr Menschen von Solastalgie betroffen sein.

Vor allem betroffen sind Menschen, deren Lebensgrundlage direkt von der Landschaft, in der sie leben, abhängt - wie zum Beispiel Bäuerinnen und Bauern. Eine Studie konnte bei diesen eine Zunahme an Abhängigkeitserkrankungen und Suizidalität beobachten. Auch Menschen, deren Identität besonders mit der Natur ihres Heimatorts verknüpft ist, wie indigene Völker, sind häufig von Solastalgie betroffen.

Anzeichen von Solastalgie:

  • Trauer beim Anblick von zerstörten Landschaften
  • Sorgen aufgrund der Bedrohung der landwirtschaftlichen Lebensweise, die von „gutem“ Boden und Wasser abhängig ist
  • Sorgen, dass geschätzte Aspekte eines Ortes (saubere Luft, Wasser, Landschaft usw.) verloren gehen
  • Sorge um den Verlust einzigartiger Aspekte der Natur an einem Ort
  • Sehnsucht nach dem Frieden und die Ruhe, die einst einen Ort ausgemacht haben
  • Trauer aufgrund des Verschwindens vertrauter Tiere und Pflanzen
  • Scham für das neue Aussehen der Gegend
  • Sorge darum, dass die eigene Familie gezwungen ist, den Heimatort zu verlassen
  • Verlust eines Gefühls von Zugehörigkeit aufgrund des Wandels der Umwelt

Der Einfluss von Umweltkatastrophen auf die mentale Gesundheit

Wenn die Zerstörung der eigenen Heimat schon stattgefunden hat, wie es bei Menschen der Fall ist, deren Ort oder deren Zuhause bei einer Naturkatastrophe fast vollständig zerstört wurde, treten deutlich häufiger als in der Gesamtbevölkerung psychische Erkrankungen auf. Ein Beispiel ist der Hurricane Katrina, der 2005 über die südöstlichen Teile der USA hinwegfegte und besonders die Stadt New Orleans betraf. Jeder zweite, der direkt durch den Sturm betroffen war, entwickelte in den Monaten danach eine nachweisbare Depression Panik- oder Angststörung. Bei jeder sechsten Person trat eine Posttraumatische Belastungsstörung auf. Diese wird durch traumatische Erlebnisse ausgelöst und ist eine große Belastung für mentale Gesundheit des Betroffenen.

Können katastrophenartige Erlebnisse nicht so schnell und gut verarbeitet werden, dass zeitnah in den normalen Alltag zurückgekehrt werden kann, kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Neben psychischer Unterstützung fehlen häufig fehlen nach Umweltkatastrophen jedoch auch materiellen Grundlagen.

Öko-Angst: Die Angst der indirekt Betroffenen

Auch in Europa sind die Folgen des Klimawandels direkt zu spüren. Jedoch sind die meisten Menschen noch keinen gravierenden klimatischen Veränderungen ausgesetzt, die ihre eigene Gesundheit oder ihre Lebensgrundlage gefährden. Trotzdem verspüren viele Menschen Angst in Zusammenhang mit der Umwelt und dem Klimawandel. Sei es aufgrund von potenziell bevorstehenden Katastrophen, die sie selbst betreffen könnten, sei es die Angst um das Leben ihrer Kinder oder eine existenzielle Angst um das Ende der Menschheit. Psychologinnen und Psychologen nennen diese Angst „Öko-Angst“. Eine solche Angst ist zum Beispiel vergleichbar mit der Angst vor atomaren Bedrohungen oder mit der Angst vor Terrorismus.

Ständige Schuldgefühle: Die Verantwortung des Einzelnen

Öko-Angst führt zu dem Wunsch, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Viele Menschen versuchen dem Wunsch nachzugehen, indem sie ihre individuellen Konsumgewohnheiten anpassen. Dazu gehören beispielsweise die Wahl von Bio-Produkten, sich vegan zu ernähren, umweltfreundlich hergestellte Kleidung und Gegenstände zu erwerben oder mehr Produkte aus zweiter Hand zu kaufen. Einen nachhaltigen Lebensstil zu pflegen kann für viele Menschen bereichernd und sinnstiftend sein. Nicht selten kann ein solcher Lebensstil aber auch zur subjektiven Belastung werden, wenn er viel Zeit und Geld kostet oder mit sozialem Zwang verbunden ist. Dann gilt es die eigene Gesundheit wieder in den Vordergrund zu stellen und angemessene Strategien zu finden, mit dem Klimawandel zurecht zu kommen.

Selbsthilfe bei Ängsten aufgrund des Klimawandels

  1. Aktiv werden:
    Sich zu engagieren, kann Wunder für die eigene mentale Gesundheit wirken. Wenn die Angst um die Erde und die folgenden Generationen groß ist, hilft es, sich Gruppen anzuschließen, die versuchen, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Je nach Fähigkeiten und Vorlieben, gibt es viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Es gibt Gruppen, die sich lokal Probleme des Umweltschutzes vor Ort angehen oder Gruppen, die politisch aktiv werden und sich mit dem globalen Kilmaschutz beschäftigen. Auch wenn das Ziel der Arbeit im Vordergrund steht, kann ökologisches Engagement zusammen mit anderen auf vielen Ebenen auch für das eigene Wohlbefinden gut sein. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann dabei helfen, Hoffnung zurückzuerlangen und sich verbunden zu fühlen. Sich aktiv für die Umwelt einzusetzen, kann Schuldgefühle und Angst reduzieren und viele positive Auswirkungen auf das Selbst und die seelische Gesundheit haben.
  2. Verantwortung auch abgeben:

    Nicht jeder hat Zeit und Energie, sich aktiv für den Kilmaschutz einzusetzen. So sinnvoll das Engagement auch sein mag, es sollte nicht als belastende Pflicht verstanden werden. Besonders wenn es um Konsumverhalten geht, wird dem einzelnen Konsumenten eine unverhältnismäßige Bürde auferlegt. In der Werbung für ökologische Produkte wird den Kunden oft nahegelegt, dass das Klima durch eine Summe der einzelnen Konsumentscheidungen gerettet werden könnte. Dabei sind viel grundlegendere Veränderungen notwendig, die überwiegend durch konsequente politische Maßnahmen durchgesetzt werden können. Sich dies vor Augen zu führen, kann dabei helfen, dem eigenen Verhalten wohlwollender zu begegnen.

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Galway, L. P., Beery, T., Jones-Casey, K. & Tasala, K. (2019). Mapping the Solastalgia Literature: A Scoping Review Study. International Journal of Environmental Research and Public Health, 16(15), 2662.

Hauschild, J. (25. April 2018). Gesundheit: Wie der Klimawandel auf die Psyche schlägt. Süddeutsche Zeitung. sueddeutsche.de/gesundheit/gesundheit-wie-der-klimawandel-auf-die-psyche-schlaegt-1.3954595

Von Liebe, S. (2021). Weltvegantag: Was bringt vegane Ernährung dem Klima? BR24. br.de/nachrichten/wissen/weltvegantag-was-bringt-vegane-ernaehrung-dem-klima,Sn2OHsc

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