21.11.2022

Burnout im Lehrberuf. Welche präventiven Maßnahmen vor der Stressfalle schützen

Schlangenbad, 21. November 2022 Immer mehr LehrerInnen fühlen sich ausgebrannt von der Arbeit. Grund dafür ist meist ein anhaltendes Gefühl der Überlastung – die Folge kann ein Burnout-Syndrom sein. Durch präventive Maßnahmen und die richtigen Verhaltensweisen lassen sich akute Stressgefühle abbauen und psychische Folgeerkrankungen wie eine Depression vermeiden.

Sie lieben ihren Beruf und trotzdem fühlen sich immer mehr LehrerInnen davon überfordert. Große Klassen, anspruchsvolle Eltern, häufige Mehrarbeit und wenig Erholungsphasen bestimmen den Alltag vieler Lehrkräfte. In der Pandemie sind mit Digitalunterricht, Lernrückständen, Personalausfall und Angst um die eigene Gesundheit noch zusätzliche Belastungen hinzugekommen. Nicht selten ignorieren PädagogInnen, wie kräftezehrend ihre Arbeit ist und verausgaben sich. Andere ziehen sich resigniert zurück. Der ideale Nährboden für die Entstehung eines Burnout-Syndroms.

Charakteristische Merkmale für diesen Risikozustand sind Müdigkeit, emotionale Erschöpfung und die fehlende Fähigkeit abzuschalten. Das anhaltende Gefühl des Ausgelaugtseins kann die Leistungsfähigkeit mindern, die Betroffenen sind oft freud- und antriebslos. Nervosität und Konzentrationsstörungen erschweren den Berufsalltag. Viele zweifeln an sich selbst oder empfinden Frust. Hinzu kommen körperliche Beschwerden, die von Kopfschmerzen über Schlafstörungen bis hin zu Verdauungsproblemen reichen können.

„Symptome, die man nicht übergehen sollte“, warnt Dr. med. Tobias Freyer, Ärztlicher Direktor der Oberberg Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad und der Oberberg Tagesklinik Frankfurt am Main. „Werden die Anzeichen für einen Burnout nicht erkannt und behandelt, können sich daraus schwere psychische Folgeerkrankungen wie eine Depression, Angststörungen oder Suchterkrankungen entwickeln“, sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Gerade Lehrkräfte sollten wachsam sein und psychische wie physische Auffälligkeiten ernst nehmen.

Burnout: LehrerInnen sind besonders gefährdet

Verschiedene Studien belegen, dass etwa 30 Prozent der Lehrenden Burnout-gefährdet sind. Laut Dr. Freyer ist der Auslöser für einen Burnout die mangelnde Fähigkeit der Stressbewältigung. Konkret bedeutet das, wie gut jemand in der Lage ist, sich zu erholen, wie fähig, den eigenen Arbeitstag zu organisieren und wie geschickt mit zwischenmenschlichen Problemen umzugehen, etwa mit schwierigen Schülerinnen und Schülern, fordernden Eltern oder Ärger im Kollegium.

Hinzu komme, so Dr. Freyer, bei Lehrkräften auch ein bestimmtes Persönlichkeitsbild: „Unter den Lehrerinnen und Lehrern gibt es viele Idealisten und Perfektionisten mit großer Motivation und hoher Anspruchserwartung an sich selbst. Wenn es nicht gelingt, die Realität der Berufswelt mit den eigenen Vorstellungen in Einklang zu bringen, kann das auf Dauer nicht nur ernüchternd, sondern auch psychisch sehr belastend sein.“

Melanie P. ist Gymnasiallehrerin und konnte die eigenen überhöhten Erwartungen irgendwann nicht mehr erfüllen: „Ich wollte die perfekte Lehrerin sein, von allen gemocht, doch plötzlich wurde mir alles zu viel. Ich habe mich immer mehr eingeigelt, meine Hobbys und meinen Freundeskreis vernachlässigt. Allmählich konnte ich mich kaum noch aufraffen, zur Arbeit zu gehen, hatte ständig Bauchschmerzen.“ In einer Therapie hat P. gelernt, mit ihrem Selbstanspruch gesund umzugehen und die Belastungen im Beruf besser zu bewältigen.

Maßnahmen zur Burnout Prävention

Und tatsächlich kann man dem Burnout-Syndrom aktiv entgegenwirken. „Wir verstehen das Burnout-Syndrom als individuelle Reaktion eines Menschen auf berufsbedingte, anhaltende Überforderungen und Konflikte. Diese zu hinterfragen und die eigenen Defizite zu identifizieren, hilft dabei, sinnvolle Wege aus der Stressfalle zu finden“, sagt Priv.-Doz. Dr. phil. Lars Hölzel, Leitender Psychologe der Oberberg Kliniken in Schlangenbad und Frankfurt am Main. Der Psychotherapeut empfiehlt LehrerInnen, auf Signale von Überlastung zu achten und frühzeitig gegenzusteuern. Dazu geeignete Maßnahmen sind:

  • Arbeit und Privatleben voneinander trennen. Ein Arbeitszimmer, bei dem sich nach getaner Arbeit die Tür schließen lässt, ist eine gute Voraussetzung, um abzuschalten. Arbeitsmaterialien im Schlafzimmer verhindern dagegen häufig die notwendige Erholung.
  • Interkollegiale Beratung und Supervision nutzen. Das kann beim Umgang mit schwierigen Situationen im Klassenzimmer helfen.
  • Den Blickwinkel ändern. Ein Fokus auf positives Schülerverhalten schafft Anreize für erwünschtes Verhalten und führt auch bei der Lehrkraft zu einem Fokus auf positive Erlebnisse.
  • Gestaltungsspielräume im Schulalltag nutzen. Das hilft dabei, ein Gefühl der Kontrolle zu behalten – einer der wichtigsten Faktoren für das Erhalten der psychischen Gesundheit.
  • Erholungsphasen im Unterricht schaffen. Schule stellt auch für Kinder häufig einen starken sozialen Stressor dar. Gemeinsame Entspannungsübungen können SchülerInnen und LehrerInnen helfen, Stress zu reduzieren.
  • Den Umgang mit Konfliktsituationen üben, um Belastungen durch Konflikte abzubauen und einen möglichst konstruktiven Umgang mit Auseinandersetzungen zu finden.
  • Einen ehrlichen Umgang mit dem eigenen Befinden und den eigenen Grenzen pflegen.

Frühzeitig Hilfe suchen

Wer merkt, dass er nicht mehr zurechtkommt und immer öfter denkt „Ich kann nicht mehr“, sollte rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. „Die Betroffenen, die zu uns kommen, haben meist zu lange gewartet und bereits Folgeerkrankungen entwickelt“, sagt Dr. Hölzel. Dabei sei die Prognose beim Burnout-Syndrom hervorragend: „Werden seelische Belastungen früh erkannt und sinnvoll behandelt, steht der Rückkehr in ein gesundes Berufsleben nichts im Weg.“

Selbsttest Burnout
Einen ersten Eindruck davon, ob man selbst betroffen ist, gibt der Burnout Selbsttest. Er ersetzt nicht die fachärztliche Diagnose: 

https://www.oberbergkliniken.de/selbsttest-burnout