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Was ist Achtsamkeit?

Unter dem Begriff Achtsamkeit versteht man eine akzeptierende und wertungsfreie Haltung gegenüber dem, was man gerade wahrnimmt und tut. Achtsamkeit ist also eine Qualität des menschlichen Bewusstseins: Wer achtsam ist, der lässt jede innere und äußere Erfahrung im gegenwärtigen Moment vorurteilsfrei zu.

Jon Kabat-Zinn ist emerierter Professor an der University of Massachusetts Medical School in Worcester und einer der meistzitierten Wissenschaftler in der Forschungsliteratur zur Achtsamkeit. Nach seiner Definition ist Achtsamkeit

  • absichtsichtsvoll,
  • sie bezieht sich auf den gegenwärtigen Moment und ist
  • nicht wertend.

Die Grundgedanken zur Achtsamkeit entstammen der buddhistischen Philosophie. In der modernen westlichen Psychologie hielt das Konzept im späteren 20. Jahrhundert Einzug. Eine wesentliche Rolle spielten Wissenschaftler der USA; hier wird Achtsamkeit unter dem Begriff Mindfulness diskutiert und praktiziert. Kabat-Zinn entwickelte in den 1970er Jahren die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR), ein Programm zur gezielten Lenkung der Aufmerksamkeit.

Was bewirkt Achtsamkeit?

Je mehr die Achtsamkeit zunimmt, desto geringer werden gewohnheitsmäßige, unerwünschte Reaktionen auf das gegenwärtige Erleben. Ferner führt das zu einem hohen Maß an angebrachtem, selbstbewusstem Handeln. Ganz bei dem sein, was man gerade erlebt: dem Sonnenuntergang, dem Warten auf den Bus, der Berührung durch den Partner oder einem schmackhaften Essen. Unvoreingenommen empfinden, riechen, schmecken, sehen, fühlen – ohne eine Wertung abzugeben, das ist Achtsamkeit.

Was ist Achtsamkeit im Unterschied zum Meditieren? In der Meditation liegt der Fokus auf der Schärfung der Konzentration mit dem Ziel, Empfindungen und Gedanken vorbeiziehen lassen zu können und einen ruhigen Geist zu schulen. Für eine Meditation zieht man sich zurück und versenkt sich für Minuten oder auch Stunden völlig in der Konzentration. Das Achtsamkeitstraining ist dagegen eine Art Wahrnehmungsschulung, bei der man ganz im Moment ist und alle Eindrücke wertfrei wahrnimmt. Das ist in jedem Moment möglich; ein Rückzug ist nicht erforderlich, um Achtsamkeit trainieren zu können. Tatsächlich gibt es auch die so genannte Achtsamkeitsmeditation, die Elemente aus beiden Ansätzen vereint.

Wann ist man nicht achtsam?

Der Feind der Achtsamkeit sind Gewohnheit und Routine. Wir sind beispielsweise nicht achtsam wenn wir:

  • über Vergangenes grübeln
  • uns um die Zukunft sorgen
  • nicht wahrnehmen, was wir gerade tun oder empfinden
  • uns unter Druck setzen, indem wir an To-Do-Listen und Unerledigtes denken.

Was bewirkt das? Wer achtsam ist, stellt fest, dass sein eigenes Empfinden von Glück und Lebensfreude nicht von äußeren Bedingungen abhängig ist. Er lernt, einen stabilen und klaren Geist zu behalten und auch in stressigen Situationen mit seinen inneren Ressourcen verbunden zu bleiben. Das hat verschiedene Auswirkungen:

  • zu eigenen, inneren Ressourcen Zugang bekommen und sie nutzen
  • den Geist stärken
  • mit sich selbst und anderen geduldiger sein 
  • Impulskontrolle: nicht mehr so schnell aufbrausend sein
  • selbstbewusst denken und handeln
  • freundlich aber bestimmt Grenzen setzen
  • sich stressigen und psychisch belastenden Situationen besser gewachsen fühlen

Was bedeutet Achtsamkeit im Alltag?

Anders als etwa Meditation beschränkt sich Achtsamkeit nicht auf einen bestimmten, definierten Zeitraum am Tag oder in der Woche, an dem man seine Übungen durchführt. Achtsamkeit lässt sich leicht in viele Momente des Alltags integrieren. In ein achtsames Leben startet man beispielsweise, indem man am Morgen den Tag mit einem Achtsamkeitsritual beginnt. Das kann so etwas Simples wie das bewusste Wahrnehmen der ersten Tasse Kaffee am Morgen sein, es können aber auch die Empfindungen, Wahrnehmungen und Gedanken beim Zähneputzen sein. Die Möglichkeiten, Achtsamkeit im Alltag zu praktizieren, setzen sich fort: So kann man zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit achtsam sein und die Eindrücke im Stau, beim Zu-Fuß-Gehen oder beim Warten auf den Zug aktiv wahrnehmen.

Zu Anfang hält man sich bewusst dazu an, achtsam zu sein. Je öfter man kleine Achtsamkeitsübungen in seinen Alltag integriert, umso leichter fällt es einem - und man kann bald an einem stressigen Arbeitstag den Geist zur Ruhe bringen, indem man sich eine Minute (oder in der Mittagspause auch länger) auf seine Wahrnehmungen konzentriert.

Warum Achtsamkeit so wichtig ist

Achtsamkeit entspannt Körper und Geist. In der Achtsamkeit nehmen wir uns aus dem Strom der Gedanken und dem Strom des Geschehens heraus. Wir übernehmen selbst wieder mehr Kontrolle. Wir stoppen die Gedankenflut, lenken unsere Aufmerksamkeit bewusst und gönnen dem Geist damit einen Moment der Ruhe. In Studien konnte gezeigt werden, dass Achtsamkeitsübungen dazu geeignet sind, den Spiegel des Stresshormons Cortisol zu senken. Das bedeutet, dass Achtsamkeit tatsächlich Stress mindern kann.

Achtsamkeit führt zu besseren Ergebnissen. Im täglichen Multitasking sind wir häufig überfordert. Um allen Anforderungen möglichst gut gerecht werden zu können, schaltet der Organismus auf "Autopilot". Das bedeutet, dass wir viele Handlungen unbewusst ausführen, weil die Menge an Eindrücken, Gedanken und Aufgaben einfach zu groß ist, um immer auf alle Details zu achten. Im "Autopilot"-Modus werden wir aber unflexibel, unkreativ und fehleranfällig. Achtsamkeit hilft, sich wieder besser konzentrieren zu können.

Achtsamkeit hält uns besser in Kontakt mit uns selbst. Im "Autopilot"-Modus verlieren wir ein Stück weit die Wahrnehmung für uns selbst, weil wir nur noch ein Programm abspulen, Aufgaben abarbeiten und in Gedanken schon bei den nächsten Handlungsschritten sind. Wir arbeiten nur mit dem Kopf, und davon zu viel. Andere Aspekte unseres Seins werden vernachlässigt. Achtsamkeit stellt den Kontakt zu uns selbst in jedem gegenwärtigen Moment wieder her.

Für wen eignen sich Achtsamkeitsübungen?

Wir setzen in unserer Therapie Achtsamkeitsübungen vielfältig ein. Sie unterstützen Patienten bei den verschiedensten Problemen und Störungen:

Doch auch wer nicht an einer psychischen Erkrankung leidet, für den lohnt es sich, im Alltag achtsamer zu werden. Das erfordert Übung. Am Anfang werden Sie wahrscheinlich die Erfahrung machen, dass Sie abschweifen, die Gedanken sich in die Vergangenheit oder Zukunft verabschieden, Sie Wahrnehmungen als gut oder schlecht bewerten.

Anders gesagt: Denkmuster und Verhaltensweisen, die sich über Jahrzehnte entwickelt haben, sind nicht von heute auf morgen zu verändern. Doch ein kurzes Training jeden Tag hilft dabei, immer achtsamer zu werden. Dabei können wir vor allem auf den Atem setzen. Der Atem ist unser Verbündeter in der Meditation und im Achtsamkeitstraining. Er ist der Anker, zu dem man Zuflucht suchen kann, wenn quälende Gedanken überhandnehmen. Der Atem beruhigt überbordende Aktivitäten von Körper, Geist und Emotionen.

An den Standorten der Oberberg Fachkliniken haben wir dafür drei Übungen zusammengestellt, die Sie ganz einfach an Ihrem Arbeitsplatz durchführen können. Auch zu Hause, im Bus oder überall wo Ihnen gerade danach ist, helfen Ihnen diese Übungen, sich zu beruhigen und wieder „zu sich zu kommen“.

 

Wenn Sie Fragen zu diesen Themen oder unserem Therapieangebot haben, nehmen Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf!