Burnout

So werden die Ferien zur echten Erholung – Expertentipps zum Urlaub ohne Leistungsdruck

Die schönsten Wochen des Jahres? Teil 2: Urlaub ohne Leistungsdruck

Besser, schneller, weiter: Wer mit diesen Vorgaben in den Urlaub startet, nimmt das Leistungsdenken aus dem Alltag mit – und verschenkt die Chance auf echte Erholung. Doch wie schafft man es, wirklich locker zu lassen und aus den schönsten Wochen des Jahres auch das Schönste herauszuholen? Damit wir unsere Ferien genießen können, müssen nicht nur die äußeren Umstände stimmen. Auch am schönsten Urlaubsort können wir uns nur wohlfühlen, wenn wir selbst innerlich bereit dafür sind.

Heute erklären Ihnen Prof. Dr. med. Michael M. Berner, Chefarzt der Rhein-Jura Klinik und Achtsamkeitsexperte Dr. Christian Klesse, leitender Psychologe und  Psychotherapeut der Rhein-Jura-Klinik, was Sie tun können, damit Ihr Urlaub tatsächlich eine wohltuende Auszeit vom Alltag wird.

Diese Tipps helfen dabei, hausgemachten Stress zu vermeiden:

  • Bleiben Sie realistisch: Oft freut man sich schon seit Wochen und Monaten auf die gemeinsamen Ferien. Kein Wunder also, wenn der Urlaub von Beginn an mit vielen Erwartungen aufgeladen ist. „Dass die Realität dann mit unseren Träumen und Vorstellungen nicht Schritt halten kann, ist vorprogrammiert“, sagt Klinikchef Prof. Dr. med. Michael Berner. Ist etwa das Wetter schlechter als erwartet, das Ferienhäuschen oder das Hotel nicht perfekt, macht sich schnell Enttäuschung breit– und verdeckt den Blick auf das, was uns eigentlich Freude machen könnte. Mit Gelassenheit und guter Laune lassen sich auch in einem günstigen 3-Sterne-Hotel Luxusferien verbringen!
  • Nehmen Sie sich Zeit zum Ankommen: Urlaub ist eine Auszeit vom Alltagstrott. Auch wenn die meisten Menschen sich gerade darauf freuen, will auch diese Umstellung erst verarbeitet werden: Eingespielte Abläufe fallen plötzlich weg, man verbringt meist deutlich mehr Zeit mit Partner und Familie als sonst üblich. Lassen Sie sich und den anderen die nötige Zeit, in die veränderte Situation hineinzufinden.
  • Nehmen Sie sich nicht zu viel vor: Es sollen die schönsten zwei, drei Wochen des Jahres werden. Klar, dass man daran viele besondere Erinnerungen behalten möchte. Auf den ersten Blick liegt es also nahe, in der vorhandenen Zeit besonders viel erleben zu wollen. Pflastern Sie Ihren Urlaub dennoch nicht mit allzu vielen Ausflügen und Besichtigungen voll. Gerade in den Ferien sollte auch mal das Lustprinzip gelten. „Auch Nichts-Tun muss mal erlaubt sein. Versuchen Sie doch mal ganz ruhig abzuwarten, bis Sie sich wirklich langweilen – und tun Sie dann, wonach Ihnen wirklich der Sinn steht“, so der Rat von Burn-Out-Experte Berner.
  • Gestehen Sie sich und Ihrer Familie Freiräume zu: Wer im Alltag wenig Zeit für Partner und Familie hat, möchte im Urlaub am liebsten alles nachholen. Setzen Sie sich und Ihre Lieben dabei nicht zu sehr unter Leistungsdruck. „Auch im Urlaub geht es beim Miteinander nicht um Quantität, sondern um Qualität. Lassen Sie einander viel Platz. So weit als möglich sollte jeder selbst über seine Zeit bestimmen dürfen. Auch dann, wenn Sie zum Beispiel mal nicht nachvollziehen können, was ihre pubertierenden Kinder unter Erholung verstehen…“, rät der Psychiater und Psychotherapeut Berner.
  • Gehen Sie offline: Im Alltag regieren Smartphone, Tablet & Co. unser Leben. Das ständige Checken und Senden von Mails und SMS, der Blick auf die eigene Facebook-Seite ist für die meisten von uns  schon so etwas wie ein Reflex geworden. Doch wer ständig in virtuellen Welten unterwegs ist, verpasst die Gegenwart. Um wirklich mal abzuschalten, lohne deswegen das Abschalten, sagt Berner. „Nutzen Sie die Ferien, um wieder vom sozialen Netzwerk zum sozialen Miteinander zu finden”, so sein Rat.
  • Vermeiden Sie Dokumentationswahn: Wer von jeder Kleinigkeit Fotos und Filme anfertigt und diese womöglich noch ständig per Email oder vie Facebook mit den Daheimgebliebenen teilt, verliert leicht den Bezug zu echten Erlebnissen. „Das Gefühl, alles künstlich festhalten zu müssen, verursacht Stress. Die schönsten Bilder sollten Sie nicht auf der Festplatte, sondern im Herzen aufbewahren“, rät Berner. Zudem verursacht das Verwalten der Bilderflut oft weiteren überflüssigen Stress. Schließlich kommt man oft kaum dazu, die unzähligen Schnappschüsse wirklich anzuschauen.
  • Entwickeln Sie Gelassenheit: Versuchen Sie nicht, in jeder Situation der „Sieger“ zu sein. Tatsächlich ist es doch gar nicht so wichtig, unbedingt den besten Platz im Bus oder einen Strandkorb direkt am Meer zu ergattern. Lohnt es sich wirklich, darüber Ärger zu empfinden, dass man zwei Sekunden länger benötigt, um am Wasser zu sein? „Haben Sie Mut zur zweiten Reihe! Sie werden staunen, wie entlastend das ist“, so Berner.

Wie man zu einer inneren Haltung findet, die echte Erholung möglich macht, erklärt der Achtsamkeitsexperte Dr. Christian Klesse, leitender Psychologe und Psychotherapeut der Rhein-Jura-Klinik.

  • Leben Sie im Moment: „Nichts hilft besser beim Abschalten als das Ankommen im Hier und Jetzt. Entwickeln Sie ein Auge für die schönen Momente des Tages, anstatt gedanklich immer nur vorauszueilen“, so Dr. Christian Klesse. Perfekte Planung ist im Urlaub nicht alles! Wer streng nach den Angaben des Reiseführers durch die Straßen eilt, um Attraktionen „abzuhaken“, übersieht leicht den wunderschönen Brunnen an der Straßenecke oder das lauschige Café, das zu einer schattigen Pause einlädt. Und: legen Sie bei Ausflugsfahrten auch mal die Karte zur Seite und blicken Sie sich mit wachen Augen um. Wer den Weg zum Ziel erklärt, wird deutlich mehr erleben!
  • Lassen Sie Ihren Alltag los: Nutzen Sie Ihre Urlaubsreise, um echten Abstand von Ihrem Alltag und Ihrer Arbeit zu gewinnen: Zu Hause geht die Welt nicht unter, wenn Sie nicht alles unter Kontrolle behalten. Ist es wirklich nötig, jeden Tag die Emails zu checken oder berufliche Anrufe entgegenzunehmen? Bringt es tatsächlich etwas, immer wieder bei der Nachbarin anzurufen, die den Garten gießen soll? Ein verbrannter Rasen wird irgendwann von alleine wieder grün! „Entwickeln Sie das Vertrauen, dass es auch mal ohne Sie geht. Mit übermäßigen Sorgen machen Sie nichts besser“, so das Fazit von Klesse.
  • Gehen Sie achtsam mit anderen um: Nutzen Sie die freie Zeit, um sich auf ihre Familie, Ihren Partner, auf neue Bekanntschaften einzulassen. „Sich ungestört auf das Gegenüber zu konzentrieren, zuzuhören, sich auszutauschen, ist entspannend und anregend zugleich. Und es hilft Ihnen, sich ganz auf den Moment einzulassen“, sagt der Psychologe. Genießen Sie es also, den Freiraum für gute Gespräche und Begegnungen zu haben!
  • Kultivieren Sie kleine Genüsse: „Ein gelungener Urlaubstag besteht aus vielen, kleinen Glücksmomenten. Geben Sie sich die Zeit, im Augenblick zu verweilen und achtsam  wahrzunehmen, zu fühlen, zu riechen und zu schmecken“, rät der Achtsamkeitsexperte. „Spüren Sie die Sonne auf Ihrer Haut, das schmelzende Eis auf der Zunge, das erfrischende Prickeln des Meerwassers. Genießen Sie den weiten Blick und die klare Luft in den Bergen!“. Mehr Urlaub geht nicht!
  • Lassen Sie Ihre Seele baumeln: Genießen Sie es ganz bewusst, keine Termine und Verpflichtungen zu haben und tun Sie einfach mal: nichts! Das Herrlichste im Urlaub ist, keinen Anforderungen genügen zu müssen, aus dem Hamsterrad des Alltags auszubrechen, sich vielleicht sogar mal zu langweilen. „Setzen Sie sich nicht selbst unter Erwartungsdruck. Wer sich die Zeit gibt, in sich selbst hineinzuhören und die eigenen Bedürfnisse zu erspüren, tut das Beste für seine Erholung“, sagt Christian Klesse. „Rumhängen“ ist ausdrücklich erlaubt und kein Grund für Schuldgefühle!
  • Üben Sie Dankbarkeit: „Blicken Sie nicht ständig darauf, ob andere etwas „Besseres“ haben“, so der Achtsamkeitsexperte. Wer sich  darauf konzentriert, ob der Eisbecher am Nebentisch größer aussieht oder ob der Strandnachbar das schnittigere Surfbrett besitzt, schneidet sich vom eigenen Erleben ab. Auch der Kampf um die erste Reihe am Pool lohnt sich nicht. Warum sollte man Ärger darüber zulassen, wenige Sekunden länger zu brauchen, bis man im Wasser ist? „Wenn jemand scheinbar einen Vorteil hat, sollte man es ihm gönnen. Neid und Gier machen unglücklich – und verhindern, dass man das auskostet, was man selber hat“, so Klesse. „Ein direkter Ausdruck von Zufriedenheit mit dem was ist, ist Dankbarkeit. Am Ende des Tages innerlich „Danke“ zu sagen für die kleinen Wunder, die man erlebt hat, ist eine ausgezeichnete und effektive Übung, das Wohlbefinden zu steigern oder zu erhalten.“
  • Sehen Sie die Welt mit neuen Augen: Nutzen Sie Momente der Achtsamkeit, um die Grenzen des Bekannten wahrzunehmen. „Die meisten Gedanken, die wir heute haben, sind die gleichen wie am Vortag oder in der letzten Woche“ sagt der Achtsamkeitsexperte. „Wenn es uns gelingt aus dem Strom des gewohnheitsmäßigen Denkens und Planens auch nur für kurze Zeit auszubrechen, sei es durch einen achtsamen Atemzug oder einen bewusst wahrgenommenen Sonnenuntergang, entdecken wir häufig die hintergründige Schönheit und Tiefe dieses Augenblicks. In jedem Moment haben wir die Möglichkeit aufzuwachen und „mit dem Herzen“ zu sehen. Und es sind diese Momente der tiefen Verbundenheit, sei es mit der Natur oder unseren Mitmenschen, nach denen wir uns sehnen und die einen Urlaub letztendlich unvergesslich machen.“

Lesen Sie bald mehr in unserem dritten Teil: Die schönsten Wochen des Jahres? Teil 3: Kraft schöpfen für den Alltag

zu Teil 1 der Sommerreihe: “Die schönsten Wochen des Jahres? Teil 1: Sorgen Sie für einen ruhigen Start in den Urlaub”