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Präsentismus - Trotz Krankheit am Arbeitsplatz anwesend

Für die meisten Arbeitnehmenden ist es undenkbar, sich wegen leichtem Schnupfen oder Durchfall krank zu melden. Einige gehen auch bei schwereren gesundheitlichen Problemen, wie einer fieberhaften Erkrankung oder starken Rückenschmerzen mit eingeschränkter Gehfähigkeit, noch zur Arbeit. Die Gründe dafür liegen in der Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, dem Pflichtgefühl gegenüber den Vorsitzenden oder dem Gefühl, am Arbeitsplatz unentbehrlich zu sein. Unabhängig davon, wie schwer die Erkrankung ist, wird die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit als Präsentismus bezeichnet.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) beschreibt die Anwesenheit von Arbeitnehmenden trotz Krankheit am Arbeitsplatz als ein Phänomen der modernen Arbeitswelt. Das Phänomen kann auch als unproduktive Anwesenheitszeit bezeichnet werden.

Was ist Präsentismus?

Nach verschiedenen Studien und Messungen gibt es unterschiedliche Definitionen für Präsentismus. Produktivitätsorientierte Studien stammen vorrangig aus dem betriebswirtschaftlichen und pharmazeutisch-medizinischen Kontext. Eine einheitliche Definition gibt es nicht.

Eine Definition beschreibt Präsentismus als Problem, trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Beschwerden und damit verbundener verminderter Arbeitsleistung sowie einer verringerten Produktivität, am Arbeitsplatz präsent zu sein.

"Der Begriff kann als Entscheidung des Arbeitnehmenden definiert werden, trotz gesundheitlicher Einschränkungen, die eine Krankmeldung rechtfertigen würden, am Arbeitsplatz zu erscheinen."

Da Mitarbeitende Fehlzeiten aufgrund von Krankheit befürchten, gehen sie arbeiten. Allerdings verursachen nicht nur krankheitsbedingte Fehlzeiten, sondern auch eine verminderte Arbeitsleistung aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen Kosten für ein Unternehmen. Es kommt zu Produktivitätsverlusten.

Abgrenzung zu Absentismus

Das Phänomen „Präsentismus“ leitet sich vom Begriff "präsent" für "anwesend" ab. Das Gegenteil davon, das Fehlen am Arbeitsplatz, wird als „Absentismus“ bezeichnet. Allerdings muss dabei zwischen dem rechtmäßigen Fehlen aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Fortbildung und ungerechtfertigtem Fehlen am Arbeitsplatz unterschieden werden. Fälschlicherweise wird Absentismus oft mit krankheitsbedingtem Fehlen gleichgesetzt.

Für das Erscheinen am Arbeitsplatz trotz Krankheit werden zwei grundlegende Motive unterschieden:

  • Mitarbeitende fürchten eine schlechte Behandlung durch ihre KollegInnen und Vorsitzenden oder schlimmstenfalls den Verlust ihres Arbeitsplatzes, wenn sie aufgrund von Krankheit fernbleiben
  • Mitarbeitende sind hochmotiviert und identifizieren sich mit ihrer Arbeit. Sie glauben, dass es ohne sie nicht funktioniert, oder wollen das Team und die Vorsitzenden nicht im Stich lassen.

Ein mangelhaftes Gesundheitsmanagement in den Unternehmen ist ein häufiger Grund für die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz eingeschränkter Gesundheit. Die Ursachen für Präsentismus können in personenbedingte, arbeitsbedinge und organisationale Faktoren eingeteilt werden.

  • Zufriedenheit mit der Arbeit
  • Emotionale Bindung an das Unternehmen
  • Finanzielle Belastungen
  • Arbeitsengagement
  • Erlebter Stress und emotionale Erschöpfung
  • Geschätzte Produktivitätsverluste
  • Hohe Anforderungen an die Arbeitsaufgabe und das Arbeitspensum
  • Schwierige Kunden
  • Zeitdruck, da nicht genug Zeit für die Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung steht
  • Arbeitskonflikte
  • Unterbesetzung
  • Führungsaufgaben
  • Konflikte zwischen Beruflichem und Privatem
  • Stress oder verstärkter Druck
  • Erwartete hohe Kosten aufgrund von Fehlzeiten
  • Angst vor Bedrohung/Diskriminierung bei negativen Erlebnissen
  • Arbeitsplatzunsicherheit
  • Strikte Absentismuspolitik mit Sanktionen (Abmahnung oder gar Kündigung)
  • Belohnung bei wenig Ausfall (Prämie oder geldwerte Vorteile)

Mögliche Zusammenhänge zwischen Absentismus und Präsentismus

Zur Analyse von Absentismus und dessen Gründen gibt es bereits umfangreiche Literatur. ArbeitsmedizinerInnen, PsychologInnen und ÖkonomInnen haben die Gründe für das Fernbleiben vom Arbeitsplatz in verschiedenen Unternehmen untersucht. Die Geschichte der Analyse von Präsentismus ist deutlich kürzer. Forschende haben untersucht, welche Rolle personalpolitische Maßnahmen, wie Entlohnung, Kontrollsysteme und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, für die Anwesenheit trotz Krankheit am Arbeitsplatz spielen. Die Gesundheit der Mitarbeitenden, Ausgestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsverhältnisse, beispielsweise Befristung, Motivation und Autonomie, wurden ebenfalls als Gründe für den Präsentismus herangezogen.

Einige Forschende argumentieren, dass Absentismus und Präsentismus gemeinsame Hintergründe haben. Beide Phänomene spiegeln die Gründe für das Erscheinen oder Nichterscheinen am Arbeitsplatz wider. Die beiden Phänomene werden teilweise als Strategien der Arbeitnehmenden interpretiert, das Verhältnis zu ihren Vorsitzenden und KollegInnen zu steuern. Faktoren, die mögliches Fehlen am Arbeitsplatz behindern, könnten die Wahrscheinlichkeit von Präsentismus erhöhen.

Verschärfen sich die gesundheitlichen Probleme der Mitarbeitenden, muss die Arbeit evtl. längerfristig eingestellt und eine kostspielige medizinische Behandlung, mitunter auch eine Reha-Maßnahme, angewandt werden.

Präsentismus aus psychologischer Sicht

Die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit führt für Unternehmen und die Gesellschaft zu hohen Kosten. Allerdings müssen auch die persönlichen Kosten und das Phänomen, krank zur Arbeit zu gehen, psychologisch beleuchtet werden. Für die Mitarbeitenden stellt das Erscheinen am Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher Einschränkungen, aufgrund folgender Risikofaktoren, eine Selbstgefährdung dar:

  • Erhöhte Unfallgefahr aufgrund mangelnder Konzentration
  • Gefahr, dass sich die bestehende Erkrankung verschlimmert oder chronisch wird
  • Dauerhafte Einschränkung der Leistung
  • Gefahr der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit
  • Hohe Kosten für Behandlungen

Nicht zu unterschätzen ist bei einer infektiösen Erkrankung, wie Corona oder Grippe, dass auch KollegInnen im Unternehmen infiziert werden könnten.

Präsentismus kann sich negativ auf die Regeneration auswirken. Die Mitarbeitenden brauchen länger, um sich zu erholen und wieder die volle Leistung zu erbringen. Wie stark die Regeneration beeinflusst werden kann, hängt von der Schwere und Art der zugrunde liegenden Erkrankung ab. Bei einigen Erkrankungen wie leichten Depressionen dürfen die Betroffenen arbeiten, da sich das positiv auf die Genesung auswirken kann. Anders sieht es bei fieberhaften Erkrankungen aus. Das Krankheitsbild wird noch verschärft, wenn sich die betroffenen Personen keine Ruhe gönnen.

Für die Mitarbeitenden kann häufiger Präsentismus in einen Teufelskreis führen. Sie stehen stark unter Druck, aus Existenzangst oder aus der Angst heraus, ihre Arbeitsaufgaben nicht dauerhaft erfüllen zu können. Sie erscheinen krank zur Arbeit und erbringen daher mitunter eine deutlich schlechtere Leistung. Das verstärkt die Existenzängste und den Druck, was die Krankheit weiter verschlimmern kann. Schlimmstenfalls kann es zu einem Burnout oder anderen schwerwiegenden psychischen Erkrankungen kommen, die es den betroffenen Personen nicht mehr ermöglichen, zu arbeiten. Zumindest über einen längeren Zeitraum fallen diese aus.

Wie kann Präsentismus bekämpft werden?

Mitarbeitende, die permanent unter Druck stehen, da sie ihre Arbeitsaufgaben erfüllen müssen und den Verlust des Arbeitsplatzes fürchten, sollten sich an eine/n Psychologin/Psychologen wenden. Es handelt sich nicht um eine psychische Erkrankung, doch können psychische Erkrankungen die Folge sein. In einem Gespräch, aber auch in einer Gesprächs- oder Verhaltenstherapie können die betroffenen Personen lernen, dass sie mit einer Krankheit nicht zur Arbeit gehen müssen. Hier erfahren Sie mehr über die Therapiemöglichkeiten bei Oberberg.

Unternehmen sollten an ein besseres Gesundheitsmanagement denken, um hohe Kosten zu vermeiden. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen trägt zu einer besseren Gesundheit der Mitarbeitenden bei und kann helfen, Absentismus ebenso wie Präsentismus entgegenzuwirken. Betriebe können gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen schaffen und das Risiko von Verletzungen sowie Erkrankungen am Arbeitsplatz vermindern.

Feedbackgespräche sind wichtig, um Fehlzeiten zu vermeiden, aber auch, um die Mitarbeitenden dazu zu bewegen, bei Krankheit nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen. Zusätzlich können den Mitarbeitenden gesundheitsverbessernde Maßnahmen, wie Fitness-Gutscheine, Massagen oder Sportmaßnahmen, im Unternehmen angeboten werden. Auch Ernährungsberatung, Lärmschutz, abwechslungsreichere Arbeitsstrukturen und flexiblere Arbeitszeiten sind wichtige Faktoren, die Gesundheit der Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen.

Die gesundheitlichen Probleme der betroffenen Mitarbeitenden können sich jedoch weiter verstärken, wenn trotz Krankheit gearbeitet wird. Um das zu vermeiden, sollten Unternehmen an ein gutes Gesundheitsmanagement denken.

FAQ

Dieses Phänomen bedeutet die Anwesenheit von Mitarbeitenden am Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher Einschränkungen.

Ursachen sind in Existenzängsten der Personen, finanziellen Problemen und hohem Druck seitens des Unternehmens, aber auch in einer falschen Motivation der Mitarbeiter begründet.

Für Unternehmen, aber auch für die Mitarbeitenden kann die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher Einschränkungen gravierende Folgen haben. Krankheiten können chronisch werden und Folgeerkrankungen, wie Depressionen, Postraumatische Belastungsstörung oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nach sich ziehen. Eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit kann die Folge sein und zu hohen Kosten führen. Die Ausfälle der Mitarbeiter aufgrund schwerwiegender Erkrankungen, aber auch der Produktivitätsverlust kosten Unternehmen viel Geld. Weitere Mitarbeitende können ausfallen, indem sie sich anstecken.

Kontaktaufnahme Hilfe bei Präsentismus

In den Oberberg Fach- und Tageskliniken für Stressmedizin, Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie unterstützen wir Menschen in schweren seelischen und psychischen Krisensituationen.

Wenn Sie mehr Informationen zu unserem therapeutischen Behandlungsangebot, zum Tagesablauf in einer Klinik oder anderen Themen erhalten möchten, würden wir uns freuen, wenn Sie mit uns persönlichen Kontakt unter der Telefonnummer 0800 5577330 (gebührenfrei) aufnehmen. Außerhalb Deutschlands wählen Sie bitte +49 30 20867301-0. Wenn Sie einen Rückruf für ein persönliches Gespräch vereinbaren möchten, füllen Sie bitte hier das Kontaktformular aus. Wir werden uns dann schnellstmöglich bei Ihnen melden.

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0030-1262568
https://osnadocs.ub.uni-osnabrueck.de/bitstream/urn:nbn:de:gbv:700-201112158616/3/thesis_haegerbaeumer.pdf
https://www.researchgate.net/profile/Peter-Preisendoerfer/publication/344226807_Bildung_Gesundheit_und_Prasentismus/links/5f5df80892851c0789632567/Bildung-Gesundheit-und-Praesentismus.pdf#page=5
https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Dokumente/Gesundheitsreporte%20BKK/BKK_Gesundheitsreport_2011.pdf#page=115
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitswelt-und-Arbeitsschutz-im-Wandel/Organisation-des-Arbeitsschutzes/Wirtschaftlichkeit/Praesentismus.html
https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2019/heft/6/beitrag/praesentismus-und-absentismus-von-arbeitnehmern-zwei-seiten-derselben-medaille.html
https://www.personio.de/hr-lexikon/praesentismus/
https://www.psychologie-heute.de/beruf/artikel-detailansicht/41657-symptome-haben-und-trotzdem-arbeiten.html

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