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Narzissmus und Partnerschaft

Der Begriff Narzissmus stammt aus der griechischen Mythologie – der schöne Narziss weist alle ihn begehrenden Männer und Frauen ab. Als Strafe soll er die Qualen einer unerwiderten Liebe erleiden und verliebt sich schließlich in sein eigenes, im Wasser reflektiertes, Spiegelbild. Nach andauernder Sehnsucht stirbt er bei dem Versuch sein Spiegelbild zu umarmen. Der Begriff „Narzissmus“ beschreibt demnach einen zu hohen Grad an Selbstliebe.

In den psychologischen und psychoanalytischen Theorien zum Narzissmus steht aber immer auch ein labiles Selbstwertgefühl im Vordergrund. Ist eine Partnerschaft mit einem Narzissten dennoch möglich?

Narzissmus – Ursprung und Bedeutung des Begriffs

Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, wandte den Begriff „narzisstisch“ im Jahre 1910 zum ersten Mal an und prägte ihn in den darauffolgenden Jahren weiter. In seinen Schriften wird zwischen primärem und sekundärem Narzissmus unterschieden: In beiden Fällen ist die psychische Energie, die Libido, auf das Selbst gerichtet. Der primäre Narzissmus stellt einen normalen Schritt in der Entwicklung von Kindern dar, während der sekundäre Narzissmus ein krankhaftes Phänomen im Erwachsenenalter ist.

Der Begriff der „Narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ wurde von dem Psychoanalytiker Heinz Kohut geschaffen und wurde zusammen mit der Arbeit zum Narzissmus des Psychiaters Otto Kernberg zur Grundlage für die spätere Entwicklung diagnostischer Kriterien im DSM-III (Psychiatrisches Klassifikationssystem).

Was ist ein Narzisst?

Im ICD-10, einem weiteren Klassifikationssystem von körperlichen und psychischen Krankheiten, wird die Narzisstische Persönlichkeitsstörung unter den „Sonstigen spezifischen Persönlichkeitsstörungen“ gelistet. Neben den allgemeinen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung müssen mindestens fünf weitere der folgenden Kriterien erfüllt werden:

  1. Größengefühl bezüglich der eigenen Bedeutung (mit Leistungen und Talenten wird übertrieben, ständige Bewunderung erwartet)
  2. Fantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Glanz, Schönheit und ideale Liebe
  3. Überzeugung besonders und einmalig zu sein und nur von anderen besonderen Menschen oder solchen mit hohem Status verstanden zu werden oder mit diesen zusammen sein zu können
  4. Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung
  5. Erwartung besonders günstiger Behandlung oder automatischer Erfüllung der Erwartungen
  6. Ausnutzung zwischenmenschlicher Beziehungen, Übervorteilung anderer Menschen, um eigene Ziele zu erreichen
  7. Mangel an Empathie: Ablehnung, Gefühle und Bedürfnisse anderer anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
  8. Neid auf andere oder Überzeugung, selbst beneidet zu werden
  9. Verhalten und Attitüden sind arrogant und hochmütig

Narzissmus und Partnerschaft

Die oben beschriebenen Eigenschaften eines Narzissten nehmen einerseits starken Einfluss auf den Partner und erschweren andererseits den Aufbau einer vertrauensvollen guten Beziehung. Durch den starken Egoismus des Narzissten ist der Partner gezwungen, mehr auf den narzisstischen Partner zu achten als auf sich selbst. Der Narzisst steht im Mittelpunkt – durch permanente Stimmungsschwankungen und Empfindlichkeit ist es dem Partner beinahe unmöglich eigene Ansprüche zu äußern. Tut er dies dennoch, kann es passieren, dass der Narzisst mit schroffer Kritik und Demütigung reagiert. Häufig gestaltet sich die Beziehung so, dass der Partner des Narzissten mehr gibt als er zurückbekommt und darauf bedacht ist, den Wünschen und Vorstellungen des narzisstischen Partners zu entsprechen.

Folgendes Verhalten ist bei Partnern im Umgang mit Narzissten zu beobachten:

  • Er sagt gegenüber dem Narzissten seine eigene ehrliche Meinung nicht und verhält sich zurückhaltend, schüchtern und verkrampft.
  • Er ordnet sich neben dem Narzissten unter, fühlt sich minderwertig und wertlos.
  • Er muss sich stark anpassen, ständig gefallen und fehlerfrei handeln.
  • Er muss unangemessen häufig Kritik, Belehrungen und Demütigungen wehrlos ertragen.
  • Er wird permanent von Angst- und Schuldgefühlen begleitet, kann nie ganz abschalten und fürchtet weitere seelische Angriffe.

Wie gestaltet sich die Beziehung mit einem Narzissten?

Partnerschaften von Narzissten laufen häufig nach einem ähnlichen Schema ab:
Zu Anfang der Beziehung ist es der Narzisst, der seinen neuen Partner besonders empathisch, liebevoll und charmant behandelt und viel Aufmerksamkeit schenkt. Menschen mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung fällt es leicht, andere einzuschätzen und ihnen Komplimente zu machen, die sie besonders berühren und schnell Intimität herstellen. Narzissten mögen es, die Einzigartigkeit und Intensität einer Beziehung zu betonen und schaffen dadurch schnell eine starke emotionale Abhängigkeit ihres Partners. Narzissten genießen das daraus entstehende Gefühl, leidenschaftlich begehrt zu werden.

Nach einiger Zeit genügt die Bestätigung durch den Partner dem Narzissten nicht mehr. Die Gewöhnung an die Liebesbekundungen führen immer häufiger zu Distanz, Zurückweisung und Kritik. Der Partner des Narzissten fängt an zu merken, dass er dem Narzissten nicht mehr genügen kann. Es fällt jedoch schwer dieses Problem zu thematisieren, weil der Narzisst meist rhetorisch überlegen ist und die Schuld dem Partner zurückgibt.

Zudem ist es für Narzissten schwer, mit Kritik umzugehen. Oft reicht eine beiläufige Bemerkung, um einen Narzissten zu kränken und gegen sich aufzubringen. Eine gesteigerte Kränkbarkeit beruht teils auf Erfahrungen in der Kindheit, in denen keiner dem Betroffenen half, seine Impulse zu steuern oder Erfolgserlebnisse und Anerkennung zu erfahren. So gelingt es dem Narzissten nicht, als unangemessen empfundenen Einwände zu verarbeiten. Dem Narzissten ist es wichtig, dass die Dinge nach seinen Regeln und Bewertungen ablaufen. Werden seine Erwartungen nicht erfüllt, reagiert er mit rücksichtslosem, strafendem bis zu aggressivem Verhalten. So wird eine Beziehung schnell zu einer großen Belastung.

Die Liebe zu einem Narzissten – eine glückliche Partnerschaft?

Die Beziehung mit einem Narzissten gestaltet sich also als Herausforderung: Oftmals werden liebevolle, einfühlsame und tolerante Phasen von Verhalten unangebrachter Härte und Rücksichtlosigkeit durchbrochen. Auch wenn dem Narzissten Nähe und Zärtlichkeit in einer Partnerschaft wichtig sind, fällt es ihm schwer, respekt- und verständnisvoll mit seinem Partner umzugehen.

Damit eine Beziehung gelingen kann, ist es wichtig, dass beide Partner, auch der Narzisst, dazu bereit sind, Kompromisse einzugehen. Professionelle Hilfe, zum Beispiel eine psychotherapeutische Behandlung kann Narzissten dabei helfen, ehr auf die Bedürfnisse und Gefühle ihrer Partner zu achten. Auch paartherapeutische Angebote können hilfreich sein.

 

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Benecke, H. (2019). Narzissmus in Partnerschaft und Paartherapie. PiD-Psychotherapie im Dialog, 20(3), 63-68.

Fischer, H. (2021). Narzissmus in Familie, Kirche und Gesellschaft (5. Aufl.). BoD – Books on Demand.

Grüttefien, S. (2019). Das On-Off-Beziehungsdrama: Wie Partner von Narzissten den Teufelskreis aus Trennungen und Versöhnungen durchbrechen und ihn auflösen können. BoD – Books on Demand.

Senger, K. (2019). Narzissmus. PiD – Psychotherapie im Dialog, 20(3), 17–18. DOI: 10.1055/a-0771-7335.

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