ADHS-Diagnostik bei Erwachsenen
Wie läuft die Diagnose von ADHS bei Erwachsenen ab?
Die Abkürzung ADHS steht für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, die im Kindes- und Jugendalter beginnt und auch bei Erwachsenen weiter bestehen bleiben kann. Gekennzeichnet ist die Erkrankung bei Kindern durch Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Dies zeigt sich typischerweise in einem übersteigerten Bewegungsdrang, einer gestörten Konzentrationsfähigkeit und unüberlegtem Handeln. Diese Symptome treten oft gleichzeitig, aber in individuell unterschiedlicher Ausprägung auf.
Die Störung galt lange Zeit als ausschließliche Erkrankung des Kindes- und Jugendalters, jedoch treten auch im Erwachsenenalter Symptome auf – allerdings oft in einer veränderten Erscheinungsform. Die Hyperaktivität, die häufig im Kindesalter das sichtbarste Symptom ist, geht meist im Erwachsenenalter zurück und manifestiert sich häufig als innere Unruhe oder Getriebenheit. Auch Konzentrationsschwierigkeiten oder Impulsivität sind bei Erwachsenen häufig vorhanden.
Neben den Kernsymptomen sind weitere Probleme als Ausdruck der Erkrankung möglich, dies können ein verminderter Selbstwert, ein gestörtes Sozialverhalten, eine Intoleranz gegenüber Stress oder Suchterkrankungen sein.
Diagnose Die diagnostischen Schritte bei der Erkennung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Für die klinische Diagnose der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen werden verschiedene diagnostische Methoden angewendet. Als Standard dient die S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“, die unter Beteiligung aller in diesem Bereich tätigen Fachgesellschaften erstellt und fortlaufend aktualisiert wird. Damit eine Diagnose gestellt werden kann, müssen die Kriterien anhand der international verwendeten Klassifikationssysteme (ICD-10/11 oder DSM-5) festgestellt werden und zu Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen für die Betroffenen führen.
1. Ausführliche Anamnese
Grundlage der Diagnostik bei ADHS ist eine gründliche Erfassung aller Beschwerden und möglicher Folgeprobleme. Es werden alle Auswirkungen der Symptome auf das Alltagsleben in sämtlichen Lebensbereichen erfragt, um so ein vollständiges Bild zu erhalten. Ebenso wichtig ist es, die Beschwerden im Zusammenhang mit ADHS bis zum Beginn in der Kindheit und Jugend zurückzuverfolgen. So kann auch ein oft auftretender Wandel der Beschwerden im Erwachsenenalter festgestellt werden. Wenn es möglich ist, werden immer weitere Unterlagen und Berichte aus der Vorgeschichte mitberücksichtigt. Dies können Schulzeugnisse aus der Grundschulzeit sein, in denen sich oft Hinweise auf ADHS-typisches Verhalten finden. Auch können Angehörige oder nahe Bezugspersonen oft schildern, mit welchen Verhaltensweisen sich die Symptomatik über die Zeit entwickelt hat.
2. Klinische Interviews
Um die Ausprägung der Symptome vollständig und genau zu erfassen, können bei der Diagnostik auch standardisierte Interviews und Fragebögen zum Einsatz kommen. Für den Erwachsenenbereich stehen verschiedene Fragebögen zur Verfügung, die wissenschaftlich gut evaluiert sind, international von den Experten für ADHS verwendet werden und in den Leitlinien als Standard gelten. Es können sowohl Fragebögen zur Selbstauskunft als auch solche, die von der Untersucherin oder dem Untersucher ausgefüllt werden, verwendet werden.
3. Ausschluss anderer psychischer Störungen und Erkrankungen
Um eine korrekte Diagnose stellen zu können, ist eine vollständige psychiatrische Untersuchung notwendig. Dazu zählt auch die differenzialdiagnostische Abgrenzung von anderen psychischen oder körperlichen Erkrankungen. Zum Teil können nämlich auch bei anderen Erkrankungen die bekannten Symptome einer ADHS in gleicher oder ähnlicher Form auftreten. Beispielsweise können dies depressive oder bipolare Störungen, Angststörungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder Persönlichkeitsstörungen sein. Es könnte also durch die genaue Diagnostik auch zum Ausschluss einer ADHS-Diagnose kommen und sich daraus eine angepasste Behandlungsempfehlung ergeben. Allerdings treten nicht selten ADHS und eine oder mehrere weitere Erkrankungen koexistierend auf. Auch für diesen Fall ist eine sehr genaue psychiatrische Differentialdiagnostik wichtig, um letztlich zu einer individuell angemessenen Diagnose und Behandlung zu kommen.
4. Neuropsychologische Tests
Zu den diagnostischen Möglichkeiten gehören auch neuropsychologische Untersuchungen, sogenannte Tests. Diese können in der Diagnostik der ADHS zur Abschätzung spezieller Bereiche der Symptomatik herangezogen werden. So können beispielsweise Aufmerksamkeitsprozesse und Konzentrationsfähigkeit geprüft werden. Allerdings sind die individuellen Ausprägungen der Symptomatik von Person zu Person sehr unterschiedlich und schwanken schon bei derselben Person erheblich. Oft sind sie mit bestimmten momentanen Anforderungen, aber auch situativen und sozialen Faktoren verbunden. Zudem sind viele ADHS-Betroffene in bestimmten Situationen vorübergehend in der Lage zu besonderer Aufmerksamkeit, sie können „Hyperfokussieren“. Durch alle dies Faktoren sind die Ergebnisse von neuropsychologischen Tests mit besonderer Vorsicht zu interpretieren und lassen keinesfalls direkte Schlüsse auf die Diagnose zu.
5. Klinische Diagnose und multimodaler Ansatz
Es besteht unter Experten Einigkeit darüber, dass die Diagnose einer ADHS aus verschiedenen Bausteinen besteht. Für die Diagnose reicht es nicht, standardisierte Fragen eines Fragebogens auszuwerten, sondern es ist für das Zusammenführen und Bewerten aller erhobener Informationen ein gründliches Vorgehen und viel Erfahrung auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet notwendig.
Aus der Diagnose, die ein individuell spezifisches Ausprägungsprofil der Beschwerden beinhaltet, ergibt sich dann eine Empfehlung für ein persönlich angepasstes Behandlungskonzept. Dies ist im Idealfall multimodal ausgerichtet, dies bedeutet, dass alle hilfreichen Ansätze zur Behandlung integriert werden. Eine große Rolle beim multimodalen Ansatz spielt eine gute Psychoedukation – die Vermittlung von Wissen über die eigene psychische Erkrankung. So kann die oder der Betroffene als Experte in eigener Sache entscheiden, welche Elemente eines Behandlungskonzepts am besten auf die individuelle Situation passen. Im Rahmen des individuellen Behandlungskonzeptes werden meist eine an den Beschwerden und Folgeproblemen ausgerichtete Psychotherapie und die Behandlung mit Medikamenten miteinander kombiniert . Weitere wichtige Bausteine ergänzen die Therapie, zum Beispiel ist eine regelmäßige sportliche Betätigung hilfreich zum Abbau von Unruhe und Anspannung. Der Behandlungsansatz sollte sich dabei immer an der individuellen Symptomatik des Betroffenen orientieren.
Herausforderungen Die besonderen Herausforderungen in der Diagnostik bei Erwachsenen
Die Kriterien der ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sind im Grundsatz ähnlich. Gekennzeichnet ist das ADHS bei Kindern durch die drei Hauptsymptome: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Um Fehldiagnosen bei Erwachsenen jedoch auszuschließen, ist es wichtig zu wissen, dass sich die Symptome im Lebensverlauf deutlich verändern können. So bildet sich eine ausgeprägte Hyperaktivität aus dem Kindesalter bei Erwachsenen oft zurück und zeigt sich dann eher in innerer Unruhe oder Getriebenheit. Die Diagnostik im Erwachsenenalter wird durch die häufigen Komorbiditäten, wie Angststörungen oder Depressionen, erschwert.
Unterstützung Wie können die Oberberg Kliniken bei der Diagnose und Behandlung unterstützen?
Zu den Oberberg Kliniken gehören verschiedene private Fachkliniken aus den Bereichen Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland. Das Therapieangebot ist auf alle Altersgruppen ausgerichtet: So gibt es zum Beispiel Kliniken im Kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich, aber auch Fachkliniken für die Behandlung jüngerer Erwachsener. In ganz Deutschland stellen die Oberberg Kliniken tagesklinische Angebote sowie vollstationäre Einrichtungen zur Verfügung, um Menschen bei psychischen Störungen zu unterstützen. Zu den Krankheitsbildern, welche in den Kliniken behandelt werden können, zählt auch die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Der Therapieansatz in den Oberberg Kliniken besteht grundsätzlich aus verschiedenen Bausteinen wie innovative Psychotherapien, eine abgewogene pharmakologische Behandlung, Fachtherapien und Entspannungsverfahren. Die Herangehensweise der Fachkliniken erfolgt interdisziplinär und individualisiert, das bedeutet auch, dass die Kliniken fachübergreifend zusammenarbeiten.
Kontaktaufnahme Sie können sich jederzeit an uns wenden – Vertrauensvoll und diskret
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FAQ - Häufig gestellte Fragen
Erwachsene, die selbst vermuten, dass eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit oder der Konzentration vorliegen könnte oder unter erhöhter Unruhe und Impulsivität leiden, sollten eine diagnostische Abklärung in Erwägung ziehen. Diese findet oftmals in einem ambulanten Setting, aber auch in spezialisierten Zentren statt. Bei der Diagnose erfragt der behandelnde Arzt oder Therapeut auch, ob die Symptome bereits in der Kindheit und Jugend vorlagen.
Die diagnostische Abklärung erfolgt hier durch Fachärzte aus der Psychiatrie und Psychotherapie oder der psychosomatischen Medizin. Bei Erwachsenen kann diese aber auch durch ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten erfolgen. Wichtig hierbei, der behandelnde Arzt beziehungsweise Therapeut sollte eine profunde Kenntnis bezüglich der Störung besitzen.
Die diagnostische Abklärung kann aus verschiedenen Schritten bestehen und sollte nicht lediglich auf Fragebögen oder neuropsychologischen Tests basieren. So kann diese aus Selbst- und Fremdeinschätzungsbögen, klinischen Interviews sowie Untersuchungsgesprächen bestehen. Bei Erwachsenen wie bei Kindern ist auch die Beobachtung und Einschätzung des Verhaltens wichtig, um die Symptome richtig zuzuordnen.
Die Störung ist hier ebenfalls geprägt durch die Kernsymptome, die sich durch Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität äußern können. Jedoch gibt es unter anderem Veränderungen im Hinblick auf die Ausprägung der Hyperaktivität, welche sich eher in innerer Unruhe oder Getriebenheit zeigen kann. Außerdem ist es wichtig, die Art und das Ausmaß der eventuell eingetretenen psychosozialen Folgen zu erfassen.
Zum Überbegriff ADHS zählt auch das ADS. Bei der Aufmerksamkeitsstörung ADS lassen sich keine hyperaktiven Verhaltensweisen beobachten.
Dr. Astrid Neuy-Bartmann (o. D.). ADHS im Erwachsenenalter. ADHS Deutschland e. V. https://adhs-deutschland.de/adhs-erwachsene/adhs-im-erwachsenenalter
Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit (2024, September 17). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.html
Infoportal ADHS (o. D.). Wie wird ADHS im Erwachsenenalter festgestellt? https://www.adhs.info/fuer-erwachsene/diagnostik-erwachsenenalter
Infoportal ADHS (o. D.). ADHS im Erwachsenenalter. https://www.adhs.info/fuer-erwachsene/adhs-im-erwachsenenalter/
zentrales adhs-netz (o. D.). Störungsspezifische Verfahren zur Erfassung der ADHS-Symptomatik. https://www.zentrales-adhs-netz.de/fuer-therapeuten/diagnostik/diagnostik-erw/stoerungsspezifische-verfahren-zur-erfassung-der-adhs-symptomatik/
testzentrale (o. D.). Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten für Erwachsene. https://www.testzentrale.de/shop/conners-skalen-zu-aufmerksamkeit-und-verhalten-fuer-erwachsene.html
psychenet (2018, Juli 16). Neue S3- Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von ADHS veröffentlicht. https://psychenet.de/de/ueber-uns/news-und-presse/8-kurzmitteilungen/54-neue-s3-leitlinie-zur-diagnostik-und-behandlung-von-adhs-veroeffentlicht.html
AWMF online (2017, Mai 2). S3-Leitlinie ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-045k_S3_ADHS_2018-06-abgelaufen.pdf
therapie.de (o. D.). Diagnose bei Erwachsenen. https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/adhs-erwachsene/diagnose/
Kristina Hennig-Fast (2008). Neuropsychologische Diagnostik bei ADHS im Erwachsenenalter. chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://sbt-in-berlin.de/cip-medien/7-Henning-Fast.pdf
Info zum Hyperfokus: https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/07_kliniken/psy_psychiatrie/pdf/InformationenzuADHSimErwachsenenalter.pdf