Stress- und Traumafolgestörungen

Unfreiwilliges Wiedererleben: Trauma erkennen & behandeln

Die Zahl der Menschen, die in ihrem Leben ein Trauma erleben mussten, ist höher, als uns die Gesellschaft vorgibt. In Deutschland geben jeder vierte Mann und jede fünfte Frau an, mit einem derart einschneidenden Erlebnis konfrontiert worden zu sein. Dabei zieht nicht jede Erfahrung eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nach sich. Was genau ist ein Trauma? Und wie können wir den damit verbundenen Traumafolgestörungen entgegenwirken?

Trauma ist nicht gleich Trauma

Die Deutsche Traumastiftung liefert zum Trauma folgende Definition: „Ein Trauma (griech.: Wunde) ist ein belastendes Ereignis oder eine Situation, die von der betreffenden Person nicht bewältigt und verarbeitet werden kann. Es ist oft Resultat von Gewalteinwirkung – sowohl physischer wie psychischer Natur. […] Als traumatisierend werden im Allgemeinen belastende Ereignisse wie schwere Unfälle, Erkrankungen und Naturkatastrophen, aber auch Erfahrungen erheblicher psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt sowie schwere Verlust- und Vernachlässigungserfahrungen bezeichnet. […] Wie eine körperliche Verletzung Zeit braucht, um zu verheilen, ist auch ein Trauma eine Verletzung der Seele, die ebenfalls Zeit braucht zum Verheilen. […] Traumatisierungen, die zunächst rein psychischer Natur sind, können sich in der Folge in psychosomatischen Leiden niederschlagen.“

 

Traumatische Ereignisse bedrohen also die Unversehrtheit eines Menschen und versetzen ihn in extreme Angst und Hilflosigkeit. Normale Anpassungs- und Bewältigungsstrategien sind aufgrund der Außergewöhnlichkeit der Ereignisse schnell ausgeschöpft. Traumatische Erlebnisse beinhalten in der Regel tatsächliche oder drohende Todeserfahrungen, ernsthafte Verletzungen oder die Gefahr der körperlichen Beeinträchtigung (sowohl bei einem selbst als auch bei anderen Personen). Dazu gehören schwere Unfälle, Vergewaltigungen, Kriegserfahrungen, Vernachlässigung oder Misshandlungen als Kind, körperliche Gewalt, Naturkatastrophen oder auch Unfallbeobachtungen. Traumatisierende Erfahrungen werden in zwei Kategorien unterteilt: Typ-I-Trauma (einmalige traumatische Erfahrungen, wie Unfälle oder Katastrophen) und Typ-II-Traumata (andauernde oder wiederholende traumatische Erlebnisse, wie körperliche Gewalt oder Missbrauch). Oftmals ziehen Typ-II-Traumata schwerwiegende psychische Probleme nach sich.

Trauma bedeutet nicht gleich Folgestörung

Nicht jedes potenzielle Erlebnis zieht jedoch automatisch eine Folgestörung (PTBS) nach sich. Die Wahrscheinlichkeit, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden, unterscheidet sich je nach der Art des Erlebnisses. Vergewaltigungen und Misshandlungen, bei denen Frauen als Opfer den deutlich höheren Anteil stellen, bedingen die prozentual höchste Wahrscheinlichkeit einer PTBS (35–55 %).

 

Vor allem im Kindesalter verankert sich ein Trauma in der Seele relativ schnell. Deswegen führen gerade hier Vernachlässigung und Misshandlung häufiger Traumafolgestörungen. Schwerwiegende negative Erfahrungen, besonders in spezifisch vulnerablen Phasen (2.–4. Lebensjahr, 8.–10. Lebensjahr und Pubertät), können gravierende Langzeitauswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben. Dies gilt nicht nur für die psychische Gesundheit, sondern auch für die körperliche Gesundheit und fast alle typischen und chronisch verlaufenden Erkrankungen (von Diabetes mellitus bis Koronare Herzerkrankung und Schlaganfall). Auch der Kontakt zu einem selbst und der Zugang zu Gefühlen ist unterbrochen. Ohnmachtsgefühle, Hilflosigkeit oder auch schwere Scham- und Schuldgefühle entstehen.

 

Eine Erfahrung wirkt dann traumatisierend, wenn sie unsere Bewältigungsfähigkeiten überfordert. Wir reagieren nicht nur schockiert, sondern wir erstarren möglicherweise, und Erinnerungen an die belastende Situation werden vorsichtshalber getrennt in verschiedenen „Schubladen“ im Gehirn abgespeichert. Traumareaktionen sind verständlich: Der Organismus, das periphere Nervensystem und unser Gehirn versuchen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, uns zu schützen und die gespeicherte Anspannung wieder loszuwerden. Der Krisenzustand unseres Organismus ist eine völlig normale Reaktion auf überwältigende Erfahrungen.

Symptome und Schutz vor Traumafolgestörungen

Typische Symptome von traumabedingten Störungen sind:

  • Ein Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von unkontrollierten Gedanken oder Bildern (sog. „Flashbacks“)
  • die Vermeidung von traumanahen Reizen in Handeln und Denken
  • Taubheitsgefühl gegenüber anderen Menschen und Emotionen
  • Übererregung (Schwitzen, Zittern oder Herzrasen)
  • erhöhte Schreckhaftigkeit

Wenn diese Symptome länger andauern und zu deutlichen Beeinträchtigungen in privaten, sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Lebensbereichen führen, sollte professionelle Hilfe aufgesucht werden.

 

Neben einer PTBS treten häufig andere psychische Erkrankungen, wie beispielsweise Depressionen, Burnout, Angst- und Essstörungen oder Persönlichkeitsstörungen, auf.

 

Eine Traumafolgestörung lässt sich schwer vermeiden. Jedoch gibt es Möglichkeiten, die vor einer Erkrankung schützen können. Das Wichtigste ist ein intaktes, sicheres und unterstützendes soziales Umfeld. Dieses hilft im Verarbeitungsprozess und bietet eine helfende Stütze. Weitere Faktoren sind stärkende Vorerfahrungen, eine kurze Dauer des Ereignisses, soziale Anerkennung und psychische Gesundheit vor dem Ereignis. Generell ist es von Vorteil, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt des Erlebten erwachsen ist, da Kinder seelisch besonders empfindlich sind. 

Behandlung und Therapie

Die Psychologie verfügt heute über wirksame Behandlungsmöglichkeiten von Traumafolgestörungen. Die Psychotherapie ist erstes Mittel der Wahl und umfasst verschiedene Therapieelemente  wie umfassende Aufklärung über das Krankheitsbild, das Erlernen von Entspannungstechniken und Selbstmanagementfertigkeiten zur emotionalen Regulation sowie Traumakonfrontation bzw. -exposition. Ziel der Behandlung ist es, die mit der Erinnerung verbundene Anspannung und die hohe Emotionalität zu reduzieren. Die Betroffenen sollen dabei im Verlauf der Therapie lernen zu erkennen, dass es sich bei ihrem Erleben um „normale Reaktionen auf unnormale Ereignisse“ handelt.

 

Andere Behandlungsansätze konzentrieren sich verstärkt auf ungünstige Kognitionen, insbesondere die häufig zu beobachtenden Schuldgefühle, die es zu überwinden gilt. Auch Antidepressiva können erwiesenermaßen bei der Genesung helfen. Im Kindes- und Jugendalter werden für den jeweiligen Entwicklungsstand angepasste psychotherapeutische Behandlungsformen genutzt. Besonders, aber nicht nur für das Kindesalter, sind präventive Maßnahmen von außerordentlicher Bedeutung, also Unterstützung von belasteten Familien bis hin zu konflikt- und gewaltpräventiven Maßnahmen.