Fachklinik Rhein-Jura Burnout

Die Anti-Stress-Verordnung: Ein Gesetz gegen Stress?

2014 schlug die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ein neues Gesetz vor – die Anti-Stress-Verordnung. Sie sollte die Arbeitgeber dazu verpflichten, die Stress-Belastung ihrer Angestellt zu reduzieren, z. B. indem die gefühlte oder tatsächliche Dauererreichbarkeit abgestellt werden würde.

Eine Lücke im Arbeitsschutz

Andrea Nahles wies auf eine Lücke im Arbeitsschutz hin: Während für Lärm, Abgase, Gefahrenstoffe oder mangelnde Beleuchtung klare Vorgaben gelten, wurde der Arbeitsschutz nie an die Gegebenheiten digitalisierter Arbeitsplätze angepasst. Folgerichtig wäre eine Weiterentwicklung zum „Arbeitsschutz 4.0“, der die Herausforderungen der Digitalisierung für die psychische Gesundheit stärker berücksichtigt.

Dauererreichbarkeit im Job kann psychisch krank machen

Wissenschaftliche Erkenntnisse haben einen klaren Zusammenhang zwischen der Dauererreichbarkeit im Job sowie einer Zunahme psychischer Erkrankungen festgestellt. Die ständigen Gedanken an den Job führen irgendwann auch zu Krankheitszeichen des Körpers. Deshalb forderte die Arbeitsministerin Andrea Nahles Gegenmaßnahmen. Dazu sollten bis 2015 allgemeingültige und rechtssichere Kriterien herausgearbeitet werden, die eine Belastungsschwelle definieren. Andrea Nahles scheiterte mit ihrem Vorhaben trotz Unterstützung durch Gewerkschaften und Experten aus dem Gesundheitsbereich sowie großen Anklangs in der Mehrheit der Bevölkerung – die Bundesregierung hielt eine Anti-Stress-Verordnung schlicht für schwer umsetzbar.

Die Lage heute ist eher schlechter als besser

Seither hat sich nicht viel getan. Die Fehltage von Beschäftigten aufgrund psychischer Erkrankungen hat weiterhin zugenommen. Frauen sind überproportional davon betroffen. Experten führen dies darauf zurück, dass Frauen nach wie vor im Schnitt höhere Belastungen durch die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben als Männer. Hier ändert sich die Gesellschaft nur in sehr kleinen Schritten – noch immer übernehmen Frauen den größeren Anteil an unbezahlte Sorge- und Erziehungsarbeit. Außerdem sind Frauen häufiger in schlecht entlohnten und psychisch belastenden Berufen wie zum Beispiel der Pflege tätig.

Ein neuer Versuch für eine Anti-Stress-Verordnung

Die Linkspartei brachte daher 2019 das Thema Anti-Stress-Verordnung erneut ins Gespräch. Die Linke-Politikerin Jutta Krellmann forderte, dass psychische Krankheiten in den Katalog der Berufskrankheiten aufgenommen werden müssten. Eine Anti-Stress-Verordnung solle sicherstellen, dass die Präventionsmaßnahmen in diesem Bereich verbessert und psychische Belastungsfaktoren gründlicher in den Fokus genommen werden sollten. Solche Gefährdungsbeurteillungen würden in vielen Betrieben fehlen – letztlich ein Ausdruck mangelhaften Arbeitsschutzes.

Wem würde eine Anti-Stress-Verordnung nutzen?

Nutzen ziehen zunächst primär die Arbeitnehmer aus der Anti-Stress-Verordnung. Die Reduktion des Stresses und der Dauererreichbarkeit hätte einen positiven Effekt auf die seelische sowie auf die körperliche Gesundheit des Arbeitnehmers. Es ist allseits bekannt, dass Stress krank macht. Es wird unterschieden zwischen positivem und negativem Stress. Positiver Stress ist ein vorübergehender, Adrenalin ausschüttender Stressmoment, der langfristig gesehen aber gute Auswirkungen auf die Gesundheit erzielen kann. Im Gegensatz dazu ist negativer Stress Dauerstress, der dazu führt, dass der Körper nach einer Stresssituation nicht herunterfahren kann, sondern stetig weiterarbeitet, bis er mit der nächsten Stresssituation konfrontiert wird. Der Körper gibt zwar erste Warnzeichen vor übermäßigem Stress wie z. B. Ermüdung, Kopfschmerzen etc. Werden diese aber ignoriert, endet die Überforderung im Beruf häufig in einem Burnout.

Klar ist: Eine Anti-Stress-Verordnung würde dem Arbeitgeber im ersten Schritt Einschränkungen abverlangen, da er den gesetzlichen Bestimmungen nachkommen müsste und somit seine Arbeitnehmer zeitlich sehr viel eingeschränkter belasten dürfte.

Wenn der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, präventiv vorzugehen und den Stress seiner Angestellten zu minimieren, dann kann damit aber auch das Burnout-Risiko reduziert werden. Dementsprechend zieht auch der Arbeitgeber einen Nutzen aus diesem Gesetz, da langfristig die Fehltage der Angestellten und die Arbeitsunfähigkeitsrate reduziert werden können.

Was sagen die Experten der Oberberg Kliniken dazu?

Die Psychologin der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura Bad Säckingen, Dr. Sonja Wahl, findet es wichtig, dass Burnout-Gefährdete lernen, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und selbst zu verteidigen. Wenn Ihnen dies mit Unterstützung des Gesetzgebers ein Stückchen leichter gemacht wird, ist das auf jeden Fall begrüßenswert.

Was passiert in den Unternehmen?

Während die gesetzliche Verpflichtung zu Anti-Stress-Maßnahmen weiterhin auf sich warten lässt, werden einige Unternehmen eigeninitiativ tätig. In vielen Betrieben hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht nur dem Wohl der Angestellten, sondern letztlich auch dem Erfolg des Unternehmens dient, die Belastung durch Stress zu reduzieren. Dies steht in engem Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel: Wenn junge Talente die Wahl haben zwischen einem Unternehmen, in dem sie sich krankschuften müssen, und einem Unternehmen, das stressreduzierende Maßnahmen anbietet, wird die Wahl wohl auf eines der Unternehmen mit angenehmerem Arbeitsumfeld fallen. In solchen Betrieben sind die Angestellten motivierter, produktiver, weniger oft krank und bleiben länger im Arbeitsverhältnis.

Zu den Anti-Stress-Maßnahmen der Betriebe zählt beispielsweise, dass geschäftliche Mails zu nach Feierabend und im Urlaub nicht an die mobilen Endgeräte der Angestellten weitergeleitet werden. BMW hat für bestimmte Zeiten ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit eingeführt. Andere Betriebe leiten ihre Führungskräfte dazu an, ihr Mailverhalten kritisch zu hinterfragen und auf Anrufe und Nachrichten in der freien Zeit der Mitarbeiter bewusst zu verzichten.

Als Ausgleich bieten einige große Unternehmen ihren Mitarbeitern Sportmöglichkeiten für den Alltag an, z. B. Fitnessstudios im Haus, eine Laufstrecke auf dem Betriebsgelände oder auch Yogakurse. Für Schichtarbeiter gibt es in einigen Betrieben Ruhe- und Schlafräume als Angebote zur Erholung. Eine weitere von Unternehmen genutzte Anti-Stress-Maßnahme sind Kurse in Meditation, Achtsamkeit oder Entspannung. Angebote seitens der Unternehmen zu einem rundum gesunden Leben umfassen teils auch Beratung und Kurse zum Thema Ernährung.

Anti-Stress-Maßnahmen für den Alltag

Jeder Mensch empfindet Druck anders und geht unterschiedlich gut oder schlecht damit um. Hinzu kommt, dass Stress und Belastung keineswegs dasselbe ist. Unsere Experten der Oberberg Kliniken sind der Meinung, dass eine Reduktion der Dauererreichbarkeit im Job durchaus angestrebt werden sollte, denn diese Maßnahme stellt eine kleine präventive Änderung dar, die große Wirkungen auf den Gesundheitszustand der Angestellten haben kann.

 

Bei Fragen zu unserem Therapie-Angebot zu Burnout und Depressionen nehmen Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf!