Kinder und Jugendliche Depression

Cybermobbing: Ursachen, Arten & Gegenmaßnahmen

Meist trifft es Jugendliche und junge Erwachsene, aber im Grunde sind wir alle nicht dagegen gefeit.

 

Dank des World Wide Web ist es uns allen jederzeit und inzwischen auch örtlich fast uneingeschränkt möglich, grenzenlos miteinander zu kommunizieren: Wir können bedingungslos Gedanken und Ideen (anonym) austauschen, Informationen recherchieren und „Freunde“ in der ganzen Welt gewinnen. Spleens und Nischenthemen finden genauso ihren Serverplatz wie der schüchterne Nachbarsjunge von nebenan, der zwar gerne über Bücher bloggt, aber weniger gerne darüber mit anderen spricht. Das Internet ist also in vielerlei Hinsicht ein Gewinn, weil es Kommunikation und Austausch unter anderem auch für all jene möglich macht, die sich in ihrer lokalen Offline-Realität mit einem bestimmten Thema alleine fühlen. 

 

Die Kehrseite der Medaille: Diese wunderbare Freiheit und vielseitige Grenzenlosigkeit kann zugleich auf fatale Weise als hemmungsloser Raum ausgenutzt werden. Die viel beschworene Anonymität im Netz verleiht nicht nur schüchternen Personen den notwendigen Rückenwind, sondern auch all jenen, die sie als Schutzschild für Schabernack und gezielte Attacken auf andere missbrauchen. Durch soziale Netzwerke verbreiten sich Inhalte rasend schnell und unkontrollierbar, sie können gespeichert und manipuliert und erneut hochgeladen werden.

 

Die Möglichkeiten des World Wide Web bieten dem Cyber-Mobbing also einen fruchtbaren Boden, der um ein vielfaches verhängnisvoller sein kann als der des „Schulhof-Mobbings“.

Was ist Cyber-Mobbing?

Der aus dem Englischen stammende Begriff umfasst verschiedene Formen sozialer Attacken, denen man im Internet gezielt und wiederholt ausgesetzt sein kann. Dazu zählen Beleidigungen und Verleumdungen, Ausgrenzungen und Bedrohungen, Belästigungen und Nötigungen, aber auch schwerwiegende Betrugsfälle wie Identitätsdiebstahl.

 

Als relativ häufig wird beispielsweise das Bloßstellen mittels entwürdigenden Bildmaterials angesehen, das in den sozialen Netzwerken, auf Videoplattformen oder anderen Websites verbreitet und von anderen abwertend kommentiert wird. Privat, sprich offline ausgesprochene Drohungen und Beleidigungen folgen dann meist auf dem Fuße. Auch das Streuen von Gerüchten mit der bewussten Schädigung der Zielperson sowie das Ausschließen aus Kommunikationssystemen wie WhatsApp-Gruppen fallen unter den Begriff des Cyber-Mobbings.

 

Cyber-Mobbing unterliegt weder räumlichen noch zeitlichen Grenzen, da das Internet jederzeit von (fast) überall verfügbar ist. Auch ist die Hemmschwelle der Täter relativ gering, weil sie im Schutze der Anonymität des Internets (mitunter auch über Fake-Profile) freier agieren und nicht unmittelbar mit der Reaktion des Opfers konfrontiert sind.

Formen des Cyber-Mobbings – eine Übersicht

Die TU Berlin hat in einer Studie aus dem Jahr 2015 folgende Formen des Cyber-Mobbings beschrieben:

  • Gegenseitiges Provozieren, Beschimpfung (Flaming)
  • Wiederholte Beleidigungen (Harassment)
  • Verleumdung, Gerüchte verbreiten (Denigration)
  • Bloßstellen und Betrügerei (Outing and Trickery)
  • Sozialer Ausschluss (Exclusion)
  • Auftreten unter falschem Namen, Identitätsdiebstahl (Impersonation)
  • Online-Veröffentlichung entwürdigender Fotos / Videos (Happy Slapping)
  • Fortwährende Belästigung und Verfolgung (Cyberstalking)
  • Androhung von körperlicher Gewalt (Cyberthreat)

Bystander – partizipieren oder reagieren

Tatsächlich ist aber nicht nur der auslösende Täter ein Glied in der Kette des Cyber-Mobbings. Um die volle brachiale Gewalt entfalten zu können, ist das Cyber-Mobbing auf ein Publikum angewiesen, das zugleich die Funktion eines Multiplikators zur Verbreitung misslicher und beschämender Inhalte einnehmen kann. In der Forschung hat sich hierfür der Name Bystander manifestiert. Bystander können aber nicht nur Teil des Problems sein – wenn sie zum Beispiel ein Video oder Bild weiterleiten oder sich anderweitig darüber lustig machen –, sondern sie können auch aktiv zur Lösung beitragen. Mögliche Reaktionen zur Eindämmung von Cyber-Mobbing wären etwa das absichtliche Ignorieren der Beiträge, das aktive Vorgehen gegen derlei Attacken (Stichwort: Beitrag melden), die Aufmunterung des Opfers oder die direkte Konfrontation des Täters. Im Netz selbst gibt es inzwischen mehrere Seiten, die Inhalte zum Download bereitstellen, mithilfe derer Opfer oder Bystander auf verbale oder visuelle Angriffe reagieren können.

Betroffene – Reaktionen und Warnzeichen

Die Formen des Cyber-Mobbings erreichen in der Regel viele Menschen. Da das Netz nicht vergisst, wirkt es leider besonders nachhaltig. Peinliche Bilder oder Videos können nur schwer gelöscht werden. Für Betroffene bedeutet dies, dass sie mitunter keinen gesicherten Rückzugsraum mehr haben und permanent „unter Beschuss“ stehen. Viele Betroffene ziehen sich sozial zurück, werden verschlossener, zurückhaltender, fühlen sich hilflos, verärgert, mitunter ängstlich. Niedergeschlagenheit und mangelndes Selbstvertrauen sind typische Begleiterscheinungen, oft in Kombination mit physischen Symptomen wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit oder Schlafstörungen. Nicht selten blocken betroffene Jugendliche oder Kinder Gespräche über ihre Verhaltensänderungen ab, schließen Internetanwendungen, sobald die Eltern den Raum betreten, oder wirken nach dem Blick auf das Smartphone verstört.

Gegenmaßnahmen & Hilfsmöglichkeiten für Betroffene

Um Betroffenen helfen zu können, ist in erster Linie das soziale Umfeld gefragt. Sozialer Zuspruch kann nicht nur die Belastung mildern, sondern ganz aktiv auch im Online-Geschehen greifen, wenn sich etwa Freunde solidarisch mit dem Opfer auf der entsprechenden Plattform zeigen. Das Löschen oder Melden von Beiträgen kann ebenso ein wirksamer Schritt zur Beendigung der Aktionen sein wie auch die gemeinsame Konfrontation des Verursachenden. Wichtig ist allerdings, dass die Hilfsmaßnahmen nicht zur Racheaktion genutzt werden, was zum einen aus Opfern wiederum Täter macht, zum anderen das Mobbing erneut befeuern könnte.

Eltern, deren Kinder betroffen sind, wird folgende Vorgehensweise empfohlen:

  • Nicht auf Attacken etc. antworten und dem Kind dies verständlich machen
  • Vorfälle in Form von Screenshots dokumentieren und personenbezogene Daten notieren. Den Link zum Täter-Profil speichern
  • Den Urheber zum Löschen der beleidigenden Beiträge auffordern. Ggf. an den Betreiber zwecks Entfernen der Beiträge wenden
  • Möglich ist auch das Sperren von Kontakten bzw. die Anlage einer neuen E-Mail-Adresse
  • Bei schweren Verstößen rechtliche Schritte einlegen

In Fällen, bei denen die seelische Belastung durch Cybermobbing für die Betroffenen sehr groß ist, ist es ratsam sich professionelle Hilfe zu holen!

 

Gut zu wissen: Cyber-Mobbing ist in Deutschland kein eigener Straftatbestand, bestimmte Aspekte dessen sind jedoch strafbar, zum Beispiel Beleidigungsdelikte, Verleumdungen oder Verletzung von Persönlichkeitsrechten.

Tipps zur Vorbeugung von Cyber-Mobbing

Um gar nicht erst in den Strudel des Cyber-Mobbings zu geraten, gilt es – vor allem für Eltern und Lehrkörper –, präventiv zu handeln. Das heißt konkret:

  • Förderung der Medienkompetenz (Themen wie Cyber-Mobbing besprechen; klare Regeln zur Mediennutzung aufstellen; Privates wie persönliche Daten und Fotos privat behandeln; Rechte kennen und beachten)
  • Stärkung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit (eine gesunde Portion Misstrauen schadet nie; Nein-Sagen lernen; Meinungsbildung fördern)
  • Vermittlung sozialer und kommunikativer Kompetenzen (Toleranz, Solidarität, Einfühlungsvermögen und Respekt gelten auch im Internet)

Sicherlich kann man sich oder seine Kinder nicht zu 100 % vor Cyber-Mobbing schützen. Mit der entsprechenden persönlichen Sensibilisierung und Rückenstärkung für das Thema ist die Angriffsfläche aber bedeutend geringer.